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ERBE Der Körper vergeht, die Daten bleiben. Über digitales Erinnern und Vergessen

Alle zwei Minuten stirbt ein Facebook-Nutzer. Alle zwei Minuten wird ein Facebook-Profil besitzerlos. In den USA kann man seit diesem Jahr einen Nachlassverwalter für sein Profil bestimmen. Also aus dem Grab heraus sein Profilbild wechseln lassen, den Status ändern.

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Das digitale Ich wird umfangreicher, die Datenmenge wächst stündlich. Einiges ist für uns relevant, anderes vor allem für Geheimdienste oder die Werbebranche. Biodaten, Bewegungsprofile und Kreditkartenabrechnungen ergeben eine umfassende Sammlung von Informationen über eine Person. Sie zeigen uns – und anderen – Hoch- und Tiefpunkte des Lebens.

„Auf der einen Seite wird das elektronisch unterstützte Leben vielen Menschen im Alter helfen“, sagt Malte Spitz, Netzexperte von den Grünen. „Auf der anderen Seite findet eine genaue Protokollierung unseres Alterns statt.“ Eine Lebensbilanz bedeutet in Zukunft auch eine Datenbilanz.

Der österreichische Rechtswissenschaftler Viktor Mayer-Schönberger schlägt vor, Daten beim Speichern mit einem Verfallsdatum zu versehen. Nicht alles muss für immer gespeichert sein, es sollte ein Recht auf Vergessen geben – auch über Google hinaus.

In Zukunft wird es vielleicht eine Art „Datentestament“ geben. Dann könnte Unliebsames gelöscht werden, biografische Brüche ließen sich glätten.

„Das ist eher unwahrscheinlich“, sagt Maximilian Schrems, der sich für den Datenschutz engagiert und eine Sammelklage gegen Facebook initiiert hat. „Heute ist die Lage genau andersrum: Mit dem Tod geht das Recht auf Datenschutz unter und die Daten werden ‚Freiwild‘.“

Ein unkontrolliertes Datenpaket also, das nach dem Tod die Erinnerung an einen Menschen beeinflussen kann. Kein schöner Ausblick, wenn Google die Schattenseiten des Lebens auch über den Tod hinaus beleuchtet und sich manche Geheimnisse nicht mehr mit ins Grab nehmen lassen.

„Im Vergleich zum Tagebuch, das die Enkel von ihrer verstorbenen Oma lesen, ist das digitale Ich viel umfassender“, sagt Malte Spitz. „Da braucht man dann eine Art digitale Nachlassverwaltung. Wie die konkret aussehen kann? Darauf habe ich bisher auch keine gute Antwort.“

Spitz fragt deshalb: „Hat man den Anspruch darauf, sich eine weiße Datenweste zu machen – dass also nur die schönen Daten behalten werden?“

Für ihn ist klar, dass bestimmte Daten verfügbar bleiben müssen: „Wenn man zehn Jahre im Gefängnis saß, hat man den Anspruch auf Freiheit und Resozialisierung – aber nicht auf die Tilgung der Straftat aus Registern.“

Die Form des Erinnerns wird sich in den nächsten Jahren stark verändern. Aufhalten lässt sich die Entwicklung nicht mehr. Deshalb müssen wir uns während unseres Lebens bewusst sein, welche digitalen Spuren wir hinterlassen. Sie können uns im Alter und darüber hinaus einholen.

BENEDIKT IVANOVS, HENRIK MERKER

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