: Kollektive unter der Lupe
THEATER Wortlose Choreografie-Maschinerie: Gleich zweimal ist Peter Handkes Klassiker „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ diesen Monat in Hamburg zu sehen
Vollkommen wortlos ist Peter Handkes Theaterstück „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“. Keine Dialoge, nur Regieanweisungen.
Protagonist des Klassikers von 1992 ist ein zentraler Platz in irgendeiner Metropole, über den anderthalb Stunden lang Menschen flanieren, sich begegnen, sich behindern, sich gegenseitig helfen, sich zu Gruppen zusammenfinden, die sich wieder auflösen. Figuren kommen und gehen, kommen in neuen Situationen wieder. Es gibt keine Botschaft darüber hinaus, keine kritischen Predigten – ein befreites Theater. Beliebt ist das Stück, weil es nicht nur selten Skandale provoziert, sondern auch eine schöne Möglichkeit bietet, einmal das ganze Ensemble zu präsentieren: 300 stumme Charaktere laufen in der Originalversion über die Bühne.
Gleich zweimal ist das Stück diesen Monat in Hamburg zu sehen. Ende April inszenieren die estnischen RegisseurInnen Tiit Ojasoo und Ene-Liis Semper die choreografische Maschine in einer europäisierten Version. Seit Jahren beschäftigen sich die beiden in nicht immer gelungenen politisch-theatralen Aktionen mit dem Prinzip Kollektiv.
Und am kommenden Freitag sind die Berliner „Ganzkörperpoeten“ Nico and the Navigators mit ihrer Version „Die Stunde da wir zu viel voneinander wussten“ auf Kampnagel zu Gast. Die Gruppe um Regisseurin Nicola Hümpel nimmt seit 16 Jahren in skurrilen Off-Musiktheater-Produktionen die Tragikomik menschlichen Verhaltens und Kommunizierens unter die Lupe. Mit der Lupe haben sie sich auch Handke vorgenommen: Auf der Bühne stehen nur acht Performer. MATT
■ Nico and the Navigators: Premiere: Fr, 24. 4., 20 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20; weitere Aufführungen: Sa, 25. 4. und So, 26. 4., je 20 Uhr. Tiit Ojasoo & Ene-Liis Semper: Premiere: Do, 30. 4., 20 Uhr, Thalia Theater, Alstertor 1; weitere Aufführungen: 3. 5., 19 Uhr; 3. 6., 20 Uhr; 21. 6., 19 Uhr; 26. 6., 20 Uhr
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