: Sinn verschiffen
Träume in Schuhkartons: Die „Winterakademie“ im Theater an der Parkaue ist ein Labor für das Übersetzen
„Winterakademie“ nennt sich ein Projekt im umtriebigen Kinder- und Jugendtheater Parkaue. Hinter dem etwas strengen Namen verbergen sich zwölf „Labore“, in denen Kinder und Jugendliche zwischen acht und achtzehn Jahren gemeinsam mit bildenden Künstlern, Theatermachern und Choreografen eine Woche lang das Übersetzen in mehrfachem Wortsinn üben. Denn darum dreht sich die Winterakademie, die zum dritten Mal und als Kooperation von Häusern aus Berlin, Wien und Istanbul stattfindet.
Übersetzen, das kann vieles heißen. Im „Büro für Kampfkunst“, das von der türkischen Videokünstlerin Selda Asal geleitet wird, werden Protest-Rapsongs geschrieben und in kleine Filme „übersetzt“. Dagegen könnte das Labor „(T)raumschiff“, das Mathias Heyden und der Schiffsexperte Stefan Vens anbieten, fast schon konventionell anmuten. Die Massen meterlanger Bambusstämme lassen deshalb jeden, der die Hinterbühne des Theaters betritt, umso mehr staunen. Neben etlichen Kisten mit Folien, Pappen und Farben sind die riesigen Stämme das wichtigste Material, um in den nächsten Tagen in Teamarbeit ein „(T)raumschiff“ zu zimmern. Konstrukteure sind die Kinder selbst. „Keine Ahnung, wie das am Ende aussehen wird“, sagt Heyden. Der Architekt und gelernte Tischler lässt sich gern überraschen, denn genau darum geht es ja: herauszufinden, welche Vorstellungen und Wünsche die Kinder haben.
Auch die beiden Wiener Künstler Thomas Hörl und Peter Kozek stellen in ihrem Labor „Sweet Dreams“ die Vorstellungswelt der Kinder an den Anfang. Ihnen geht es darum, diese Welt zugänglich zu machen. Aus unzähligen, jetzt noch leeren Schuhkartons wird eine begehbare Landschaft entstehen, in die jeder seine Träume und Gedanken einbringen soll.
Wichtig ist für Hörl und Kozek, den jungen Teilnehmern kreative Arbeit als Prozesse ständigen Übersetzens nahezubringen. Von der Idee über Skizze und Modell bis zur körperlichen Umsetzung führt dieser Weg. Die beiden Laborleiter haben ihn als Parcours auf dem Boden markiert. Das sieht erst mal abstrakt aus. Aber schon nach wenigen Minuten sprüht die Gruppe nur so vor Ideen, was man an den einzelnen Stationen des Parcours anstellen könnte.
Theaterprojekte für Kinder und Jugendliche haben manchmal einen unangenehmen Beigeschmack, wenn die Kunst zu sehr als Entwicklungshilfe und pädagogisches Instrument der allgemeinen Weltverbesserung bemüht wird. In der „Winterakademie“ ist das anders. Die Labore werden allesamt von Künstlern initiiert und geleitet, die wie Heyden und Vens oder Kozek und Hörl tatsächlich großes Interesse an den Vorstellungen ihrer jugendlichen Mitarbeiter haben. Deshalb werden nach dieser Woche nicht nur die Eltern von gut 140 Kindern froh sein, dass ihre Sprösslinge in den Schulferien vernünftig beschäftigt gewesen sind.
Täuscht der Eindruck des Auftakts nicht, wird man am Samstag, wenn die verschiedenen Arbeiten präsentiert werden, eine spannende Reise durch zwölf Übersetzungslabore unternehmen können, bei der man nicht nur etwas über die jungen Übersetzer, sondern auch etwas übers Kunstmachen erfahren kann.
WIEBKE POROMBKA
Samstag, 12. Januar, ab 16 Uhr: Öffentliche Präsentation der Winterakademie im Theater an der Parkaue
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