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Weltuntergangsmusik

Geraune in der Nacht

Das Warming-up übernimmt die Sitzheizung eines geliehenen CO2-Monsters – und Jürgen König. Diese Stimme, samtig-rau, wie Schmirgelpapier im Kaschmirpulli, stellt jeden Sonntag in der Radioeins-Sendung „Lost in Music“ traurige Bands vor, die traurige Lieder singen. „Dass er eine geile Stimme hat, weiß der aber auch“, sagt Daniel vom Beifahrersitz und hat mal wieder recht. König klingt immer auch wie die Karikatur eines Nachtmoderators, der seine Worte durch die gottverlassenen Straßen der Stadt wehen lässt.

Das Wochenende geht schon wieder, der „Tatort“ kommt. Alles wird schlechter: unser Land, meine Laune. Und Schnupfen habe ich auch. Ausgerechnet ein Schwerstmelancholiker soll mich an diesem verlorenen Abend aufheitern: Sir Henry Reyels. Seine Band tritt in der „Junction Bar“ auf, ein Freund spielt Schlagzeug. Er ist der einzige der Musiker, der nicht Martin heißt – außer Sir Henry (der tagsüber natürlich auch einen langweiligen Namen hat). Damit seinem Sohn das erspart bleibt, hat er ihn – Henry genannt.

Was auf dem Plakat als „Acoustic-Pop“ angekündigt wird, nennt Sir Henrys Drummer lieber „Titanic-Folk“, Weltuntergangsmusik. „When I die“, singt dieser lange Mann mit der großen Stimme, „I’ll be flying past your door once more to say Goodbye.“ Und dazu hört man seine weißen Turnschuhe auf den Boden des Bühnenpodests klackern. Intimer wäre mir unangenehm. „Und jetzt kommen wir zum langsamen Teil des Abends“, sagt Sir Henry irgendwann. An der Musik ändert sich nichts. Zum Glück nicht. Sitzen, grübeln und sich von der Band in eine warme Decke wickeln lassen. Auf dem Rückweg die CD einlegen. Wärme aus den Boxen. Und von unten. Die Sitzheizung. DAVID DENK

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