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berliner szenen Freie Platzwahl

Übung verpatzt

Im Kino ist freie Platzwahl. Der Film geht gleich los, beinahe alle Sessel sind schon okkupiert. Ein Pärchen, er um die fünfzig, sie gut fünfzehn Jahre jünger, betritt den Saal und sucht nach zwei freien Sitzen. Ein Unterfangen, das mit ziemlicher Sicherheit zum Scheitern verurteilt ist. Interessant ist jetzt nur: wie?

Die beiden bleiben im Gang in der Nähe eines freien Sitzplatzes stehen und der Mann, ganz Gentleman, fragt: „Ist da noch frei?“, was mit allgemeinem Kopfnicken honoriert wird. Nun könnte man davon ausgehen, dass er der Frau entweder edelmütig den Platz überlässt oder dass die beiden übereinkommen weiterzusuchen, um vielleicht anderswo ihr Glück zu finden. Überraschenderweise wählt der Mann jedoch eine dritte Möglichkeit: Kommentarlos setzt er sich auf den freien Platz und lässt die verdutzte Frau einfach stehen. Die fragt mit säuerlichem Unterton: „Gut, und was mache ich jetzt?“, um sich dann, ohne eine Antwort ihres Begleiters abzuwarten, woanders nach einer Sitzgelegenheit umzuschauen.

Nach einer Weile wird der Mann nervös. Er ahnt, dass etwas schiefgelaufen ist. Bloß was? Er zögert, erhebt sich, setzt sich wieder. Der Film fängt an. Nach einigen Minuten steht er wieder auf, lässt seine Jacke auf dem Sitz liegen und zwängt sich zwischen Beinen und Stühlen hindurch. Irgendwo am anderen Ende des Kinos sehe ich ihn herumwuseln, was zu diversen Unmutsbekundungen führt. Nach einiger Zeit kehrt er zurück und drängt sich auf seinen Platz. Sosehr er auch versucht, sich auf den Film zu konzentrieren: Es vermag ihm einfach nicht zu gelingen. Schließlich nimmt er seine Jacke und geht. Ob sich die beiden je wiedergefunden haben? Ich werde es wohl leider nie erfahren. ANDREAS RESCH

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