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Ein Herz für – wessen – Kinder?

betr.: „CDU möchte Eltern mit Kindergeld ködern“,

taz vom 11. 2. 08, „Jetzt auch FDP für mehr Kindergeld“,

taz vom 13. 2. 08

Die Politik stellt gerade ihre angebliche Kinder- und Familienfreundlichkeit durch die Ankündigung einer Erhöhung des Kindergeldes medienwirksam zur Show. Dabei hätte sie seit langem Maßnahmen ergreifen können, um nachhaltig für ein allgemeines Kinder förderndes gesellschaftliches Umfeld Sorge zu tragen.

Zum Beispiel bei kinder- und erziehungsnotwendigen Produkten wie Babywindeln die Mehrwertsteuer von 19 Prozent gänzlich abzuschaffen. Schon 1973 führte der Bundesfinanzhof zur Umsatzsteuer aus: „Die meisten Verkehrssteuern einschließlich der Umsatzsteuer haben keinen tieferen Sinn als den, dem Staat Geld zu bringen.“ Das Interesse der Gesellschaft bliebe ja in diesem Beispiel gewahrt, wenn allein der Unternehmensgewinn des Babywindelherstellers besteuert würde. Aber es geht nicht darum, das berühmte angeblich unersättliche Staatssäckel zu füllen, sondern die gesellschaftlich relevante Frage dahinter lautet: wer füllt es und wer hat anschließend den Nutznieß von dem Geld.

Die Politik erhebt auf die notwendigen Ausgaben der Erziehungsberechtigten die Mehrwertsteuer, um anschließend selbst entscheiden zu können, wie sie diese Einnahmen steuerungspolitisch umverteilt. Ein Hartz-IV-Empfänger zahlt halt die gleichen 19 Prozent Mehrwertsteuer auf die Windeln wie ein Erwerbstätiger. Aber bei einer etwaigen Erhöhung des durch Steuergelder finanzierten Kindergeldes erhält eine Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft mit Kind keinen Cent mehr als zuvor, da das Kindergeld als Einkommen auf den Bedarf angerechnet wird. Maßnahmen, die keine Kinder aufgrund des Erwerbsstatus ihrer Eltern ausgrenzen, wären zum Beispiel die Schulbuchfreiheit wieder in allen Bundesländern herzustellen, kostenlose Schulbusse, kostenlose Kindergärten, Zurücknahme der Besteuerung des Unterhaltsgeldes für Trennungskinder, die Unterrichtsversorgung sicherzustellen, den Renovierungsstau an Schulen abzubauen usw. Zudem das, was die Politik mit großer Geste öffentlichkeitswirksam verteilt, holt sie sich in der Regel im Stillen mittels erhöhter oder zusätzlicher Gebühren und Steuern zurück oder es handelt sich eh gleich um eine Mogelpackung.

STEFAN EICHARDT, Celle

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