: Kommerz überrollt Kunst
Die Verhandlungen zwischen der NGBK und der Wall AG über die Fortführung des Kunstprojekts „U2 Alexanderplatz“ sind endgültig gescheitert. In der U-Bahn-Station wird es nur noch Werbung geben
VON UWE RADA
Die Kunst auf den Werbeflächen im U-Bahnhof Alexanderplatz hat ausgedient. Statt des Projekts „U2 Alexanderplatz“, das dieses Jahr seinen 50. Geburtstag gefeiert hätte, wird es demnächst „Station Branding“ geben – den Verkauf sämtlicher Werbeflächen an einen Anbieter. Das teilte am Wochenende die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) mit. Die NGBK zog damit die Konsequenzen aus den festgefahrenen Verhandlungen mit der Wall AG über eine weitere Nutzung der Werbeflächen auf dem Bahnsteig der U2 im U-Bahnhof Alexanderplatz.
Dass die Projekte, die jährlich in einem Wettbewerb mit dem etwas plakativen Titel „Kunst statt Werbung“ ausgesucht wurden, ums Überleben kämpften, war seit längerem bekannt. 2006 hatte die BVG ihre Außenwerbefirma VVR Berek an die Firma JCDecaux verkauft. Im Mai 2007 schließlich sicherte sich die Wall AG den Zugriff auf alle U-Bahn-Werbeflächen. „Bei diesen Verkäufen“, sagt Christoph Bannat, „ist der U-Bahnhof Alexanderplatz nicht als Sonderfall herausgenommen worden.“ Für Bannat, der seit Jahren in der Projektgruppe „U2 Alexanderplatz“ in der NGBK mitarbeitet, ist das auch ein Hinweis darauf, dass der rot-rote Senat das Thema nichtkommerzielle Kunst im öffentlichen Raum nicht ernst nehme.
Bis zuletzt hatte dennoch Hoffnung bestanden, dass das Projekt fortgesetzt werden könnte. Auch die Kulturverwaltung hatte sich in die Verhandlungen zwischen NGBK und Wall AG eingeschaltet. „Vom Senat kam der Vorschlag, dass die kommerzielle Nutzung der Flächen drei Monate im Jahr nicht überschreiten darf“, sagt Projektmitarbeiter Bannat. Für die Künstler sei der Vorschlag insofern interessant gewesen, als man mit den Kunstprojekten unmittelbar auf das „Station Branding“ hätte reagieren können. Bis zuletzt aber habe die Wall AG auf das Angebot nicht reagiert. „Nun haben wir die Konsequenzen gezogen“, so Bannat. Weder vom Senat noch von der Wall AG war am Wochenende eine Stellungnahme zu erhalten.
Kunst unterm Alexanderplatz gab es schon zu DDR-Zeiten. 1958 wurde ein künstlerischer Plakatwettbewerb für die Bespielung des Bahnsteigs ausgeschrieben. Seit 1991 wurde das Projekt unter der Schirmherrschaft der NGBK fortgeführt. Noch bis zum 29. Februar wird auf dem Bahnsteig der U2 die Ausstellung „Ich war’s. In 32 Tagen um den Alexanderplatz. 1805–2007“ von Daniela Comani zu sehen sein. Mehr als 300 Künstler hatten sich am Wettbewerb für die Ausstellung 2007 beteiligt.
„Für die Projektgruppe U2“, sagt Christoph Bannat, „ist nun Schluss.“ Die NGBK prüft derzeit allerdings, ob sich an einem anderen Ort ein neues Projekt auf der Basis eines offenen Wettbewerbs etablieren ließe.
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