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Kein Kreuz mit den Kreuzchen

Die WählerInnen kommen gut klar mit den vielen Stimmzetteln. Nur, was der Aufwand soll, versteht so mancher nicht: Sie kennen Person und Programm der KandidatInnen nicht, so dass ihnen die Wahlkreislisten nichts nützen

Ein Kreuzchen hier, fünf Kreuzchen da, lieber weniger als mehr und dann nochmal das Gleiche – das kann doch Hamburgs Wähler nicht erschüttern. Ernste Probleme mit dem neuen Abstimmungssystem? Nö, wie eine kleine nicht repräsentative Umfrage am Sonntagmorgen vor dem Wahllokal im Schanzenviertel zeigt. Nur: Was das alles solle, wieso jetzt zwölf Kreuzchen besser seien als ehemals zwei – das will keiner so recht verstehen.

„Ist alles nur eine wahnsinnige Papierverschwendung“, äußert ein Ehepaar im Ruhe-standsalter einmütig. „Da hätte doch ein Kreuz voll und ganz gereicht.“ Zumal ihnen die Namen der einzelnen Kandidaten nichts sagten.

Keine Schwierigkeiten, äußert auch eine Brillenträgerin, die steten Schrittes vom Hof der Schule an der Altonaer Straße eilt. „Zum Kreuzchenmachen“, sagt sie ironisch, „hat’s dann gerade so gereicht.“ Natürlich habe sie vorher das Material studiert, welches das Wahlamt ihr zugeschickt habe. „Nur den Sinn der Änderung – den sehe ich echt nicht.“ Sie kenne ja die Kandidaten nicht.

Er habe nach Jahrgang gewählt, sagt ein 33-jähriger Mützenträger: „Klar hab’ ich eine politische Tendenz, aber vor allem kriegen die Leute meine Stimme, die so alt sind wie ich.“ Probleme? „Nö. War alles okay.

„Blöde, alles blöde“, sagt wenig später eine ältere Dame. „Ich meine, was soll das denn? Ist doch viel zu kompliziert jetzt.“ Früher sei alles besser gewesen – obwohl natürlich auch sie das Info-Material gelesen habe. Halb so wild, findet jemand anders. „Ich kam gut klar. Und dass ich den einen Stimmzettel zweimal hatte – dafür kann ich ja nichts.“ Das Infomaterial habe er natürlich gelesen.

„Ich bin erstaunt, wie gut die Leute vorbereitet sind“, sagt Henrike Sperling, die zum achtköpfigen Wahlhelfer-Team in der Altonaer Straße gehört. „Bisher sind sehr wenige Fragen aufgetaucht – und wenn, dann waren die sehr speziell.“ Abgesehen davon halte sich auch keiner lange in den Wahlkabinen auf: „Die gehen rein, machen ihre Kreuzchen und kommen wieder raus.“ Manch einer beschwere sich höchstens, vorab keine Wahllisten erhalten zu haben. „War wohl ein bisschen chaotisch in den Bezirksämtern“, vermutet Sperling.

Von echten Schwierigkeiten ist auch auf dieser Seite nicht die Rede. „Zumindest nicht bis jetzt“, sagt Sperling. „Wie viele Stimmen letztlich ungültig sind, weil doch jemand nicht zurecht kam – das sehen wir erst nach dem Auszählen.“ FLORIAN ZINNECKER

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