: Der Nachwuchs hat die Nase voll
Im Streit um die Teilprivatisierung der Stadtwerke verlassen die 15 Mitglieder der Holzmindener Jusos geschlossen den SPD-Ortsverein – weil der „ignorant“ und „neoliberal“ agiere. Die Ortsvereinsvorsitzende weiß davon nichts
Die Stadtwerke brachten das Fass zum Überlaufen: Die Jungsozialisten im niedersächsischen Holzminden wollen zum 1. März geschlossen aus dem Ortsverein ihrer Mutterpartei austreten, weil die SPD-Stadtratsfraktion einer Teilprivatisierung des städtischen Betriebs grundsätzlich zustimmt. Dies erklärte Fraktionschef Martin Gumpert. Sie könnten die neoliberale Politik der Partei nicht länger mittragen, heißt es auf der Jusos-Homepage. Zuvor hatte mit Johannes Melcher auch ein Ratsherr der SPD seinen Austritt aus dem Ortsverein angekündigt.
Vorausgegangen waren monatelange Querelen: Im März 2007 habe sich der Vorstand des Ortsvereins mit den Jusos verständigt, zu der Frage nach dem Schicksal der Stadtwerke eine Mitgliederversammlung einzuberufen und dort über die Haltung der Partei zu beraten, sagt Juso-Sprecherin Lena Melcher. „Diese Versammlung hat aber nie stattgefunden.“ Stattdessen habe die Vorsitzende des Ortsvereins den Parteinachwuchs Monate später in einer E-Mail „auf sehr unschöne Weise“ beschimpft. In welchem Ortsverein sie ihre Arbeit nun fortsetze, wisse sie noch nicht, sagt Melcher. Einige Jusos sind gleich auch aus der SPD an sich ausgetreten. Am morgigen Samstag treffen sich die Verbliebenen zum letzen Mal.
Von einem massenhaften Parteiaustritt wisse sie nichts, sagt hingegen die SPD-Ortsvereins-Vorsitzende Marlies Grebe. Ihr liege lediglich ein Schreiben vor, das – „neben einem Haufen Frechheiten und Unwahrheiten“ – eine Liste mit vier Namen enthalte. „Das sind allerdings Studenten, die gar nicht mehr im Ort leben“, sagt Grebe. „Über alles andere weiß ich nichts.“ Und überhaupt: Meinungsverschiedenheiten innerhalb einer Partei seien ja beileibe nicht ungewöhnlich. Was den Stadtratsbeschluss betrifft, so habe sie mehrfach das Gespräch mit den Jusos gesucht. „Aber die wollten nicht.“
Ein einziges Mal habe sich Grebe gemeldet, sagt Melcher. „Aber zu diesem Zeitpunkt waren wir schon beschimpft worden – wir seien zu jung und hätten keine Ahnung von Parteipolitik.“ Dabei seien nicht wenige Jusos länger dabei als die Vorsitzende. „Und nach dieser E-Mail hatten wir an einem Gedankenaustausch kein Interesse mehr.“
Die Frage nach dem Teilverkauf der Stadtwerke ist unterdessen noch offen. Darüber sollen am Sonntag die Bürger entscheiden – in einem unter anderem von den Jusos initiierten Volksentscheid. FLORIAN ZINNECKER
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