Geistliche werden nicht abgehört

Innenministerium zieht umstrittenen Referentenentwurf zum BKA-Gesetz zurück

FREIBURG taz ■Das Bundeskriminalamt (BKA) soll nun doch keine Geistliche, Strafverteidiger und Abgeordnete belauschen können. „Minister Schäuble wollte das nie und wird sich das auch nicht zu eigen machen“, erklärte gestern der Sprecher des Bundesinnenministeriums. Zuvor hatte der Augsburger Bischof Walter Mixa davor gewarnt, dass die CDU/CSU für christliche Bürger nicht mehr wählbar sein könnte.

Konkret geht es um eine Reform des BKA, das neue Befugnisse zur Terrorabwehr bekommen soll. Vorgesehen ist, dass das Amt heimlich Computer ausspähen kann, aber auch präventiv Telefone und Wohnungen von Gefährdern abhören darf. Zunächst war für Gespräche mit Seelsorgern, Verteidigern und Abgeordneten ein Abhörschutz vorgesehen. In einem neuen Referentenentwurf, den die taz Mitte Januar publik machte, wurde dieser Abhörschutz wieder zurückgenommen, „soweit die Maßnahme zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist“.

Obwohl Schäuble sofort betonte, er habe den Referentenentwurf gar nicht gekannt, gab es massive Kritik von Anwälten und Kirchen. Kurz vor Ausstrahlung einer Sendung des ARD-Magazins „Kontraste“, in der am Donnerstagabend die große Sorge der Kirchen um das Beichtgeheimnis thematisiert wurde, zog das Innenministerium den Referentenentwurf zurück. Dieser „war und wird nicht Gegenstand des Kabinettentwurfs und folglich der parlamentarischen Diskussion“, erklärte gestern ein BMI-Sprecher gegenüber der taz.

In der Union dachte man vor allem an den Fall, dass sich ein islamistischer Terrorist vor einem Anschlag den letzten Segen von einem radikalen Imam holt. Nur wenn so ein Gespräch ausgewertet werden kann, sei ein wirksamer Schutz gegen Terroranschläge möglich, heißt es in Unionskreisen.

Auch wenn das BKA hier nun nicht helfen kann, könnten aber viele Landeskriminalämter abhören, denn in den Landespolizeigesetzen fehlen oft Schutzklauseln für Berufsgeheimnisträger. Der besondere Abhörschutz in der Strafprozessordnung gilt nur für die Verfolgung verübter Straftaten, nicht für die Abwehr künftiger Gefahren.

Dass heute Gespräche mit Geistlichen abgehört und vor Gericht verwendet werden, schildert Annette Ramelsberger in ihrem Buch „Der Deutsche Dschihad“. Demnach hat der Verfassungsschutz das Telefon eines Berliner Studenten abgehört, als dieser mit einem Imam telefonierte. Zuvor hatte ein Tunesier versucht, den Studenten zu einem Terroranschlag anzustiften. Der Student sollte dazu bei der Polizei aussagen. Vorher fragte er den Leipziger Imam Hassan Dabagh um Rat. Dieser empfahl dem Studenten, den Tunesier nicht zu verraten, weil nach dessen Verhaftung keine Gefahr mehr drohe. Begründung des Geistlichen: „Wenn ein Muslim einen Muslim deckt, dann deckt ihn Gott am Jüngsten Tag im Diesseits und im Jenseits“. Der Verfassungsschutz schnitt das Gespräch mit und präsentierte es der Polizei und dem Gericht.

CHRISTIAN RATH