piwik no script img

Geil aufs Geld

Der Möchtegernbetreiber eines Laufhauses im Schöneberger Rotlichtkiez outet sich. Ismail Karaca besitzt bisher eine Tabledance-Bar. Er droht: Genehmigen Bezirk und Senat das Haus nicht, klagt er

VON PLUTONIA PLARRE

Schwarzer Anzug, weißes Hemd, das über dem Bauch spannt, 44 Jahre, Dauerlächeln: Der Mann, der an Potsdamer Ecke Kurfürstenstraße ein Laufhaus für Prostituierte aufmachen will, hat seit Dienstag ein Gesicht und einen Namen. Es ist Ismail Karaca, Betreiber der Tabledance-Bar Rush-hour in Wilmersdorf. „Ich bin gebürtiger Türke und lebe seit 39 Jahren in Berlin“, stellte sich Karaca auf einer Pressekonferenz vor. Erfahrungen mit Laufhäusern habe er zwar keine. Aber er sei überzeugt, dass sich damit gutes Geld verdienen lasse. „Und dieses Geld würde gerne ich verdienen“, sagte Karaca lächelnd.

Der Mann will in dem Eckhaus an der Kurfürstenstraße über dem Sexkaufhaus „Love Sex and Dreams“ (LSD) ein Laufhaus mit 48 Zimmern zur gewerblichen Nutzung aufziehen. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hatte den Antrag auf Baugenehmigung im Februar aber abgelehnt (taz berichtete). Es handele sich um eine intensive Nutzung mit hoher Kundenfrequenz, sagte damals der zuständige Baustadtrat mit Blick auf die schon stark durch Straßenprostitution belastete Gegend. Für die Anlieger würde ein Großbordell eine „unzumutbare Störung“ bedeuten.

Aber so leicht lässt sich ein Mensch wie Karaca nicht abspeisen. Sein Anwalt Leander Gast teilte am Dienstag mit, Widerspruch gegen den Beschluss eingelegt zu haben. Die Entscheidung des Bezirksamts lasse sich „rechtlich nicht halten“.

Der Widerspruch zielt darauf ab, dass das betroffene Gebiet baurechtlich nicht als Wohn-, sondern als Kerngebiet ausgewiesen ist. Kerngebiet heißt soviel wie Gewerbegebiet. „Die gesamte Rechtsprechung besagt, dass ein Laufhaus in einem Kerngebiet genehmigungsfähig ist“, so Gast. Er gehe deshalb davon aus, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Entscheidung des Bezirksamts revidieren werde. Sollte dies nicht der Fall sein, werde man vor dem Verwaltungsgericht klagen. Für jeden Monat, der verstreiche, werde man die Behörde mit 40.000 Euro in Haftung nehmen, kündigte Gast an.

Er könne die Aufregung über seine Pläne überhaupt nicht begreifen, sagte Karaca. Schließlich gebe es in dem Kiez seit 50 Jahren Prostitution. Er plane ein Laufhaus nach dem Vorbild anderer Großstädte. Die Frauen könnten sich dort für 20 Euro am Tag ein Zimmer mieten. Das Abwerben der Gäste findet in Fluren statt. Jede Person, die das Haus betrete, und sei es nur zum Gucken, müsse 5 Euro Eintrittsgeld zahlen. „Berlin kann das gut gebrauchen. Das ist eine saubere Sache“, findet Karaca.

Die Prostituierten arbeiten dort auf eigene Kasse. Karaca geht davon aus, dass die Straßenprostitution und die damit verbundenen Probleme durch das Laufhaus nicht zu-, sondern eher abnehmen würden. „Das beißt sich.“ Garantieren könne er das nicht. „Ich bin auch nicht der Samariter, der die Prostituierten von der Straße wegholen will“, sagte Kraraca. „Es geht hier ums Geldverdienen.“

Das Laufhaus will er mit seiner Frau betreiben, sagte Karaca. Laut der Internetseite der Rushhour-Tabledance-Bar ist Sarah-Fleur Karaca Geschäftsführerin des Etablissements in der Trautmannstraße. Ein Lady Drink nach Wahl kostet dort laut Getränkekarte 25 Euro.

Die Szene im Schöneberger Kiez werde sich neu sortieren, wenn das Laufhaus kommt, sind Experten aus dem Rotlichtmilieu überzeugt. Der Konkurrenzkampf unter den Huren werde noch größer werden. Bezweifelt wird auch, dass es bei der auf 20 Euro bezifferten Tagesmiete pro Zimmer bleibt. „Für 1.000 Euro Einnahmen pro Tag investiert keiner in so einen Laden“, sagt eine, die sich auskennt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen