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Berliner PlattenWährend Dota jazzt, gibt K.C. McKanzie die Siegelbewahrerin des traditionellen Folk

Live-Platten werden gewöhnlich erst im Herbst einer Karriere veröffentlich. Sie dienen gleichermaßen als Retrospektive und Bilanz, wie als Überbrückung kreativer Durststrecken und simple Möglichkeit, die Portokasse wieder aufzufüllen.

Dota und die Stadtpiraten existieren gerade mal seit 2003, haben auch vier mal Studio-Aufnahmen veröffentlicht, aber bringen nun schon ihr zweites live eingespieltes Werk heraus. Das ist auch ganz richtig so, sind die Kleingeldprinzessin und ihr dreiköpfiger Anhang doch gestählt durch Straßenmusik. Der große Charme von Sängerin Dota, ihr leiser Humor und die selbstverständliche Eleganz der Stadtpiraten kommen erst auf einer Bühne wirklich zum Tragen. Mit „In anderen Räumen“ werden nun diese Qualitäten dokumentiert. Und es wird offensichtlich, dass das Klischee, das Quartett würde vor allem Bossa und Rumba mit deutschen Texten versehen, Dota wäre – wie vom stolzen Stadtmagazin Tip kolportiert – gar die hiesige Entsprechung zu Astrud Gilberto, so schon lange nicht mehr stimmt. Klar, sie hat eine Platte in Brasilien selbst eingespielt und das Lateinamerikanische findet sich noch, aber meist nur mehr in Spurenelementen.

Die Grundlage ist mittlerweile eher der Jazz, wenn auch eine entspannte, unaufgeregte, ganz und gar nicht akademische Version davon. Nur in ganz wenigen Momenten, wie das bei Live-Platten oft so üblich ist, müssen die Musikanten ein bisschen posieren und betteln mit leicht affektierten Soli um Applaus. Meist aber wird das Muckertum abgefedert mit dem Willen zum Folk und einer Bereitschaft zum Pop, die einen Song wie „Zwei Töne“ klingen lässt, als wäre er aus dem Nachlass von Wir Sind Helden entsprungen, hätte aber keine Angst vor dem Liedermachervorwurf. Dort, zwischen allen Stühlen, haben Dota und die Stadtpiraten einen nicht spektakulären, aber sehr eigenen Sound gefunden. Über dem erzählt die mittlerweile 27-jährige Dorothea Kehr ihre Geschichten aus dem Alltag. Sie singt von den Armen des Liebsten, von erkaltender Liebe und vom Leben in der großen, aufregenden Stadt, aber auch Urlaub im „Containerhafen“ und vom Überwachungsstaat. Viel besser geht’s nicht.

Traditioneller aber, das geht: K.C. McKanzie demonstriert auf „Hammer & Nails“, dass die gute alte Folk-Schule einfach nicht totzukriegen ist. Spartanisch ist die Instrumentierung mit der Gitarre der Sängerin und dem Banjo ihres Partners Joe Budinsky, sehr dezent die wenigen sanften Bluegrass- oder Celtic-Folk-Einflüsse. Grundsätzlich aber tut die Berlinerin auf ihrem bereits dritten Album erfolgreich so, als hätte die Welt seit Joan Baez musikalisch still gestanden.

Das ist harmonisch einwandfrei und melodisch eher bittersüß, eingespielt mit viel Sinn für Reduktion und noch mehr Liebe zur Melancholie. Allerdings auch weitestgehend unbeleckt von den aktuellen Entwicklungen im Genre, von Neo und Weird oder Strange Folk. In der eher zum Konservatismus neigenden Folk-Szene hat sich K.C. McKanzie so trotz ihrer erst 26 Jahre ganz folgerichtig bereits fest etabliert.

THOMAS WINKLER

Dota und die Stadtpiraten: „In anderen Räumen“ (KleingeldprinzessinRecords/Buschfunk), live am 20. 5. im Festsaal Kreuzberg

K.C. McKanzie: „Hammer & Nails“ (t3Records/ Alive), live am 13. 5. im Intersoup

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