: Gut gerührt und kurz gewartet
Mithilfe von Rezepten lässt sich Tagescreme oder Lippenpflegestift selbst herstellen
Manche reagierten allergisch auf die konventionellen Kosmetikprodukte. Andere wollten den Dingen auf den Grund gehen. Wieder andere wollten nicht mehr 95 Euro für die Creme „XY“ zahlen. Aber alle, die Kosmetik selber herstellen, eint das Wissen „Da weiß ich, was drin ist“, wenn sie die fertige Ringelblumensalbe in die Döschen füllen.
Bei Ann Paul hat es klein angefangen. Ihre erste selbst gegossene Seife inspirierte sie zu weiteren Versuchen mit selbst gemachten Cremes und Shampoos, die bald auch Abnehmer fanden. Erst belieferte sie nur Bekannte und Freunde, dann weitete sich der Kreis der Interessierten immer mehr aus. Heute betreibt sie ihren eigenen Einfrauversandhandel mit Kosmetik zum Selbermachen – mitten in den Weinbergen in Kanzem nahe der Luxemburgischen Grenze. „Ich wollte vor allem deshalb meine eigene Kosmetik herstellen, weil ich kein rechtes Vertrauen mehr in die konventionellen Waren hatte“, erzählt sie. Besonders störten sie die Paraffine, die in fast allen Cremes, Ölen und Seifen vorkommen. Die Abfallprodukte aus dem Erdöl erzeugen zwar eine weiche, seidig schimmernde Haut, lassen sie aber leider nicht atmen. Außerdem vertrocknet die Haut bei Dauergebrauch allmählich. Einige andere Inhaltsstoffe der konventionellen Kosmetik stehen im Verdacht, allergie- und/oder krebserregend zu wirken. Beispiel: Farbstoffe oder auch Duftstoffe mit Moschusverbindungen und UV-Filter, die wie Hormone wirken. Zwar können auch natürliche Stoffe allergische Reaktionen auslösen, unter anderem Lanolin oder in seltenen Fällen Teebaumöl, aber in der eigenen Werkstatt hat es die Kosmetikerin selbst in der Hand, zu bestimmen, welche Mittel in die Tube kommen.
In dem Wort „Kosmetik“ steckt das griechische Wort „Kosmos“, das man mit „ordnen und harmonisieren“ übersetzen kann. Genau dies sei die Aufgabe der Naturkosmetik, meint die Berliner Heilpraktikerin Brigitte Karbe. „Daher verwende ich in meiner ganzheitlichen Naturkosmetik nur biologische Rohstoffe, die die Haut atmen lassen und so in ihrer Funktion unterstützen.“ Karbe, die Kurse im Selbermachen von Kosmetik anbietet, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Basisölen und ätherischen Ölen. Jojobaöl zum Beispiel hat eine pflegende Wirkung, Mandelöl verträgt auch eine empfindliche Haut gut. Einige ätherische Öle wie Rose, Vanille und Lavendel sind – entgegen ihrem Ruf – sehr hautverträglich, müssen aber immer mit einem Emulgator wie etwa einem Basisöl verdünnt werden.
Für erste Versuche brauchen Neulinge ein oder zwei Glaszylinder mit Millimeterskala, einen Rührstab aus Glas, eine Feinwaage oder auch eine digitale Küchenwaage sowie ein Thermometer, das bis zu 100 Grad Celsius messen kann. Ein Einsteiger-Rührbesteck kostet über den Internetversandhandel rund 11 Euro. Zum Abfüllen nimmt man am besten Schraubgläser oder leere Kosmetikbehälter, die man vorher in kochendem Wasser gründlich gereinigt und dann mit einer 90-prozentigen Alkohollösung besprüht hat. Außer ätherischen Ölen, Hydrolaten und Propolistinkturen verwendet die Heilpraktikerin Karbe keine Konservierungsmittel. In der Naturkosmetik verzichtet man in der Regel auf synthetische Konservierungsstoffe, beziehungsweise behilft man sich mit naturidentischen wie Benzoesäure oder Salicylsäure. „Viele ätherische Öle wie etwa Rose oder Lavendel wirken antibakteriell“, sagt Karbe. Cremes mit ätherische Ölen halten sich etwa zwei bis drei Monate lang frisch.
Ann Paul nimmt zur Konservierung Grapefruitkernextrakt oder auch Paraben K, eine synthetische Weiterentwicklung der Benzoesäure: „Paraben ist eine noch ziemlich milde Mischung.“ Anfängern rät sie: „Erst mal nicht zu viele Wirkstoffe nehmen“, beginnen könne man zum Beispiel mit einem Lippenpflegestift auf der Basis von Sheabutter. „Das schlägt einen Labello-Stift um Längen.“ ANGELIKA FRIEDL
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