: Der liebe Herr Young-Myoung
Auf der Grundlage von Mozarts „Entführung aus dem Serail“ erarbeiten über 60 Jugendliche und Profis eine „Rap-Oper“. Die heißt „Culture Clash – Die Entführung“ und hat am Samstag an der Staatsoper Hannover Premiere
Im Opernhaus Hannover wird eine modernisierte Fassung von Mozarts Oper „Entführung aus dem Serail“ geprobt. Es handelt sich um den Versuch, Oper wieder zum Ort zu machen, an dem gesellschaftlich relevante Themen verhandelt werden. Mozarts Oper bekommt den Namen „Culture Clash – Die Entführung“ und spielt in der multikulturellen Lebenswelt heutiger Jugendlicher. Es sind jugendliche Laien, die hier mit Profis zusammenarbeiten. Mark Prätsch, der Regisseur, hat schon mehrfach Stücke mit Jugendlichen für das Schauspiel Hannover inszeniert und sagt: „Mit über 60 Leuten ist das schon anstrengend. Sonst waren es höchstens halb so viele.“
Eleni Calvo-Garcia, ihre Schwester Marleny und Liya Adison lassen sich in ihrem Enthusiasmus nicht bremsen. Sie üben noch ein paar Tanzschritte: „Tack, hoch… Den hier, da komm ich total durcheinander.“ Man merkt ihnen nicht an, dass schon zehn Monate Probezeit hinter ihnen liegen. Zunächst einmal die Woche, jetzt jeden Tag die so genannte Intensivprobe, vom Vormittag bis in den Abend.
Die drei nennen sich die „Black Sisters“. So hatte sie Eleni mal genannt, weil sie alle afrikanische Vorfahren haben. Wie so viele Sachen hat Regisseur Prätsch diese Idee der Jugendlichen aufgenommen und ins Stück eingebaut. „60 bis 70 Prozent des Stücks haben wir verändert, mit den Jugendlichen gemeinsam neu bearbeitet.“ Eleni sagt: „Wir haben viel Persönlichkeit da reingebracht. Unsere Sachen, die wir auch in der Freizeit machen. Wie wir es sagen würden.“ Da fallen dann auch mal Worte wie „Scheiße“ und „Arschkarte“. Und neben den Originalarien werden Rap und DJ-Beats erklingen.
12 Uhr Mittags, es ist Probedurchlauf. Szenen und Übergänge werden geübt, damit sie bei der Premiere am Samstag auch ganz sicher sitzen. Mit großer Ernsthaftigkeit sind die Jugendlichen dabei. Kaum mal ein Grinsen. Die Opernarien sind für sie inzwischen so selbstverständlich wie die Rapstücke. Gerappt wird ohne Machogeste, und auch keiner von den Jungs findet es schwierig, auch mal ein souligeres, weicheres Stück mitzusingen. Zwischendurch stimmt Young-Myoung Known, einer von den Profis in der Besetzung, eine Arie an. Erst als er seine Stimme erhebt fällt auf, dass er gar nicht zu den Jugendlichen gehört. Eleni hatte erst etwas Schiss vor den professionellen Darstellern und Sängern, stellte dann aber fest, dass die Angst unbegründet war: „Sie helfen uns und machen uns Mut.“
Auch von Spax, der sich als bekannter Freestyle-Rapper um die Rap-Einlagen kümmert, ist Eleni begeistert. „Leider muss ich zugeben, dass ich Rap gar nicht mag“, sagt sie und räumt mit sozialpädagogischen Klischees auf. Spax hätte ihr aber „so viel coole“ Sachen gezeigt, dass sie plötzlich ihr Talent auf dem Gebiet entdeckt hätte. Eleni hatte sich eigentlich nur als Tänzerin bewerben wollte, als sie in ihrem Jugendzentrum von dem Projekt hörte. Jetzt hat sie eine Hauptrolle.
Schade ist, dass das Stück nach all der Arbeit nur dreimal aufgeführt wird. Zumal auch extrem viel Wert auf Professionalität gelegt wurde. Als Grund wird genannt, dass man die vielen Jugendlichen nicht länger halten könne. Während der zehnmonatigen Probenzeit allerdings sind von anfänglich 90 Jugendlichen nur etwa ein Drittel abhanden gekommen. Rapper Spax wünscht sich allgemein mehr Nachhaltigkeit bei solchen Jugendprojekten. „Da geht es immer bis zu einem gewissen Punkt und dann ist Ende. Wenn es nach mir ginge, würden wir damit noch durch zehn Opernhäuser ziehen.“
Auch Eleni meint: „Ich hoffe, es gibt wieder solche Projekte in Hannover. Wir sind die Ersten dann, die dabei sind.“ BARBARA MÜRDTER
5. Juli um 19.30 Uhr, 7. und 8. Juli um 11 Uhr in der Staatsoper Hannover
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