unverbremt: Der Kanzelstreit sorgt für Dialektik
Der Kanzelstreit in St. Martini zieht weitere Kreise. Während im Paralleluniversum der Leserbrief-Foren immer noch eifrig debattiert wird, „wer zuerst da war: Gottes Wille oder Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland?“ – was zu der Frage „ist Gott frauenfeindlich?“ führt – beteiligt sich jetzt erstmals die „Bremer Atheisten- und Freidenker Union“ mit einer Stellungnahme: „An der Frage des Kanzel- und Talarverbotes für Frauen zeigt sich einmal mehr überdeutlich, dass sämtliche in den letzten Jahren mit viel Lobgesang eingeführten Anti-Diskriminierungsgesetze für die Kirchen nicht keine Gültigkeit haben.“
Eine harte exegetische Nuss! Verständlich also, dass die Bremer Atheisten für diese geschickt in die Form der bajuwarischen Doppelverneinung gegossene Dialektik drei Wochen benötigten – als „Freidenker“ muss man ja nicht automatisch Schnelldenker sein.
Derweil sind schon weitere Fragestellungen entstanden: Dürfen alttestamentarische Grundsätze in einem Streit zur Anwendung gelangen, der sich ausschließlich auf das Neue Testament, insbesondere die „sie sei still“-Stelle aus dem 1. Timotheusbrief stützt? „Auge um Auge“ war offenbar das Motto, nach dem Jens Motschmann kürzlich aus dem Dom – wo unter anderem drei Pastorinnen das Sagen haben – ausgeladen wurde. Woraus zu folgern ist, dass auch am, im und um den Dom herum mehr taz gelesen werden sollte. Dort nämlich hat Ex-Martini-Pastor Motschmann längst versichert, am Einfügen des Timotheus-Verweises in die Gemeindeordnung nicht beteiligt gewesen zu sein.
Als gut platziert darf hingegen die der Bürgerschaft vorgelegte Petition gegen das Predigt-Verbot gelten. Der Petitionsausschuss muss sie wegen Nicht-Zuständigkeit zwar ablehnen, dafür landet sie quasi im Herzen der Martini-Gemeinde: Ausschussvorsitzende ist die Gattin des Ex-Pastors. Ebenfalls eine irgendwie dialektische Situation. HB
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