normalzeit: HELMUT HÖGE über das Engelbecken
„2006 kam Prinz Georg Friedrich von Preußen, um sich einen Eindruck über die Probleme bei der Sanierung des Kanals zu verschaffen.“ (Webpage des Hauses Hohenzollern)
Wie erwähnt hatte der ursprünglich in Mitte gegründete Bürgerverein Luisenstadt die Bürgerbeteiligung bei der Rekonstruktion des Grünstrangs zwischen Urbanhafen und Engelbecken an sich gerissen (siehe taz vom 12. 2. 08). Er veranlasste, dass daraus ein original grün überdachter Korso wurde, ließ Bäume fällen und das Engelbecken mit Sandsteinquadern einfassen. Außerdem wurden noch zwei mal acht Fontänen im See installiert. Bevor dazu das Wasser abgepumpt wurde, hatte sich eine vielfältige Flora und Fauna dort angesiedelt. Erwähnt sei insbesondere eine Rohrdommel: Obwohl der Schilfbewuchs am Ufer so dürftig war, dass mancherorts nur drei Halme dastanden, verstand sie es, sich zwischen ihnen nahezu unsichtbar zu machen. Der Biologe Cord Riechelmann war einer der wenigen, der sie dennoch entdeckte; er verriet ihr Nest jedoch niemandem.
Die Verschönerungsarbeiter machten das Schilf dann jedoch ringsum nieder. Nur vor der Seeveranda des Cafés am Engelbecken sind in diesem Jahr wieder einige Pflanzen nachgewachsen. Dort befindet sich nun auch die einzige Stelle, an der die Tiere im Wasser, so sie möchten, an Land gehen können – sieht man einmal von einem Entenhäuschen ab, das vor zwei Monaten im See verankert wurde. Von wem, weiß man nicht, denn die Bürgerinitiative hat man bei der Umgestaltung der zwei Grünzüge und des Engelbeckens ausgebremst.
Der oben erwähnte taz-Artikel rief sowohl die Baumschützer vom Landwehrkanal als auch etliche Anwohner auf den Plan, der Bezirksbürgermeister stoppte alle weiteren „Investitionen“. Die 16 Fontänen wurden jedoch nicht abgestellt; ihr Lärm geht nach wie vor den Spaziergängern auf die Nerven. Zumal niemand einsieht, warum aus Kostengründen so viele Brunnenfontänen abgestellt wurden, dann jedoch ausgerechnet in Kreuzberg 16 neue installiert wurden.
Andere, wie die Russin Tamara Ernst, lassen sich durch die Fontänen nicht davon abhalten, weiterhin die Enten zu füttern – um diese Jahreszeit fast ausschließlich weibliche Tiere. Tamara Ernst hatte 2003 im Lotto gespielt und dabei sechs Richtige gehabt. So glaubte sie jedenfalls, aber auf ihrem Quittungsschein standen ganz andere Zahlen. Sie meint, dies wäre durch den unsauberen Scanner im Lottoladen geschehen, der die Zahlen auf ihrem Schein falsch abgelesen hätte. Viele ähnliche Scanfehler in anderen Lottoannahmestellen schienen ihr Recht zu geben. Die „West-Lotto“ wechselte deswegen sogar alle Computer-Terminals aus. Die Berliner Lottogesellschaft war sich jedoch keiner Schuld bewusst und zeigte Tamara Ernst wegen Betrugs an (siehe taz vom 17. 8. 05).
Ein Gericht bestätigte diesen Verdacht, indem sie ihn von Experten erhärten ließ. Tamara Ernst ging in Berufung. Diese Verhandlung ist noch anhängig. Bis dahin geht Tamara Ernst täglich zum Entenfüttern an das Engelbecken, nebenbei arbeitet sie als Dolmetscherin – auf 1-Euro-Basis – in einem Migrantenbetreuungsprojekt.
Wieder andere haben es auf die mindestens zwei Wasserschildkröten abgesehen, die seit Jahren im Engelbecken leben. Sie haben sowohl das Ablassen des Wassers als auch die vielen Enten überstanden, die sie immer wieder gerne mit dem Schnabel nach unten drücken, wenn sie an die Wasseroberfläche kommen. Die Schildkröten sind wahrscheinlich froh, dass die Verschönerungsmaßnahmen wenigstens die Reiher und die Schwäne vertrieben haben. Bisher hat es auch noch kein Mensch geschafft, sie zu fangen und in seinem Terrarium zuhause zu reprivatisieren.
Die Wasserschildkröten fressen dasselbe wie die Enten. In einem diesbezüglichen Netzforum heißt es: „Es könnte so einfach sein: Man geht in den Zoohandel und kauft eine Dose Schildkrötenfutter. Die meisten Produkte sind laut Hersteller für so ziemlich alle Arten geeignet. Doch so ist es leider nicht. Schildkröten sind durchaus anspruchsvoll, was die Fütterung angeht. Abwechslungsreiche Fütterung ist oberstes Gebot!“ Dafür sorgen die Wasserschildkröten im Engelbecken selbst.
Anders ist es mit den Spatzen, die dort besonders viel hermachen. Es sind jetzt meistens die jungen mit noch etwas Flaum auf Rücken und Bauch. Sie lernen gerade, den Besuchern der Café-Terrasse und den Sonnenblumenkernekauern am Ufer derart charmant auf die Pelle zu rücken, dass genügend Krümel für sie abfallen. Über die Spatzen am Engelbecken gibt es inzwischen ganze Abhandlungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen