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Rot-Grün will Zeitarbeit stutzen

Die Regierung Schröder lockerte einst die Zügel für die Leiharbeitsbranche. Eine Bremer Bundesratsinitiative will die Rechte von Zeitarbeitern nun wieder stärken

Von Henning Bleyl

Mit 3,9 aller Prozent aller Arbeitsverhältnisse im Land Bremen bewegt sich die Leiharbeit in noch überschaubaren Dimensionen. Bundesweit beträgt die Quote allerdings nur 2,5 Prozent, zudem ist der Trend beachtlich: Zwischen 2003 und 2007 hat sich die Zahl der Bremer LeiharbeiterInnen laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit verdoppelt, in Bremerhaven fast verdreifacht.

Helga Ziegert, SPD-Abgeordnete und Landeschefin des DGB, räumt ein, dass wesentliche Leiharbeits-Deregulierungen von einer SPD-geführten Bundesregierung auf den Weg gebracht wurden. Unter Schröder kippte unter anderem das „Synchronisationsverbot“, also die Bestimmung, dass Leiharbeiter nicht nur als kurzfristige Lückenbüßer nach dem hire and fire-Prinzip eingesetzt werden dürfen. Per Bundesratsinitiative will die Bremer SPD zusammen mit den Grünen das Synchronisationsverbot nun erneut einführen.

Insgesamt müsse das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz derart novelliert werden, dass Leiharbeiter hinsichtlich Entgelt, Sozialleistungen und Arbeitsbedingungen der Stammbelegschaft „vom ersten Tag an“ gleichgestellt sind. Auch eine zeitliche Ausleih-Höchstdauer auf 24 Monate soll wieder gewährleistet werden.

In der Tat lautet eines der wichtigsten Argumente pro Leiharbeit, sie biete ArbeitnehmerInnen die Chance, vom Leihbetrieb übernommen zu werden. Dieser „Klebeeffekt“ jedoch, sagt Ziegert, sei nur in Maßen zu beobachten. Der DGB spricht von 17 bis 20 Prozent regulär Übernommenen, die gewerkschaftsnahe Hans Böckler-Stiftung von immerhin 30 Prozent.

Mittlerweile haben rund 90 Prozent der Bremer Zeitarbeitsfirmen eigene Tarifverträge. Hintergrund ist, dass tariffreie Zeitarbeiter nach dem Tarif der ausleihenden Firma bezahlt werden müssen. Die Folge dieser eigentlich gut gemeinten gesetzlichen Rahmensetzung sind „Unterbietungs-Tarifverträge“, bei denen sich vor allem die christlichen Gewerkschaften unrühmlich hervorgetan haben. Konkreten Niederschlag finden diese Billigtarife etwa in der Statistik über ArbeitnehmerInnen, die zum Erreichen des Existenzminimums auf die staatliche Aufstockung ihrer Lohnbezüge angewiesen sind. Im Land Bremen sind das 12.720 Beschäftigte, ein gutes Drittel davon sind Vollbeschäftigte. Dass von diesem Drittel, die trotz 40 Stunden-Woche staatliches Wohngeld oder Heizkostenzuschüsse benötigen, ein großer Teil bei Leiharbeitsfirmen unter Vertrag steht, spricht für den DGB ebenfalls für einen strengeren Gesetzesrahmen.

Die meisten Vollbeschäftigungs-Armen sind in der Metall- und Elektrobranche, etwa im Schiffsbau, zu finden, gefolgt von Büro und Verwaltung sowie Verkehr/Lagerarbeiten. Auch in anderen Statistiken hat die Leiharbeit überproportionales Gewicht: Sie machen 60 Prozent der derzeit rund 7.000 bei der Bremer Agentur für Arbeit registrierten „offenen Stellen“ aus.

Für die Überbrückung von Arbeitnehmer-Engpässen hält Ziegert das „keineswegs zu verteufelnde“ Zeitarbeits-Wesen für durchaus sinnvoll, wenngleich „die negativen Seiten überwiegen“. Dazu zählt sie nicht nur die Zweiklassen-Bezahlung – „oft nur 50 Prozent des regulären Lohns“ –, das daraus resultierende „Druck- und Drohpotenzial“ für die Stammbelegschaft sowie fehlende betriebliche Mitbestimmung. Selbst konkrete Arbeitsschutzvorschriften würden mangels betriebsrätlicher Vertretung oft nicht eingehalten. DGB und SPD fordern deswegen eine Vollzuständigkeit der Betriebsräte auch für Leiharbeitnehmer.

Wie steht es mit der Tatsache, dass mittlerweile auch die SPD-nahe Arbeiterwohlfahrt (AWO) zusammen mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband eine Zeitarbeitsfirma gegründet hat, um die eigenen Tarife zu umgehen? „Auch das muss debattiert werden“, sagt SPD-Fraktions-Chef Carsten Sieling.

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