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Ein Chef im Anflug

Bremens Fitnessstudios haben Grund zum Jubeln: Der Autor von „Einfach top!“, dem vergriffenen Standardwerk für Hamburgs Muckibudenkunden, wird Chefredakteur des Quasimonopolblatts Weserkurier. Lars Haider heißt er und ist 38 Jahre jung. Er galt bis dato als ein „coming man“ der Axel Springer AG – protegiert von Matthias Döpfner. Kollegen schildern den Vize der Berliner Morgenpost als Sympathen und Feind des Häppchenjournalismus.

In Bremen beerbt Haider den seit 1987 amtierenden Volker Weise, Jahrgang 1943, und zugleich den Chef der Bremer Nachrichten, Dietrich Ide. Als Einfädler der Personalie gilt Florian Kranefuß. Der wechselte vergangenes Jahr in den Vorstand der Bremer Tageszeitungen (Bretag) – vom Hamburger Abendblatt. Dort hatte Springer-Schulen-Absolvent Haider vor dem Umzug nach Berlin gewirkt: Erst als Wirtschaftsredakteur, später in der Ressortleitung Lokales, dann spornte er zwei Jahre lang die Elmshorner Nachrichten zu Höchstleistungen an: Die Konrad Adenauer Stiftung verlieh der Redaktion ihren Lokalzeitungspreis – nicht zuletzt für die Aktion „Zeigt her Eure Hunde“, wie Haider in einem Interview mit medienhandbuch.de bekennt, „zu der 800 Hundefotos eingesandt wurden“. Wau.

Aber es ist billig, sich ausgerechnet die allerblödeste Idee rauszupicken, um dann Kassandra-Rufe bezüglich der Zukunft der drittältesten deutschen Tageszeitungen nebst ihrer Klone Bremer Nachrichten und Verdener Aller Zeitung auszustoßen. Immerhin geht auf Haiders Kappe das wohl flammendste Plädoyer für direkte Demokratie, das ein Springer-Organ je veröffentlicht hat. Ebenso erwähnenswert: seine Resistenz gegen das konzerntypische Rabaukentum. Als 2005 ein in Elmshorn erschlagener Zweijähriger ganz Deutschland kümmerte, bewahrte Haider sein Blatt vor Hetze und Lynch-Gelüsten. Dafür gab’s vom kritischen NDR-Magazin Zapp zurecht ein Lob, denn das ist selbst für Lokalzeitungen nicht mehr selbstverständlich.

Springer, so heißt’s mag einem vorzeitigen Wechsel Haiders nicht zustimmen. Der Branchendienst kressreport spricht von zwölf Monaten Kündigungsfrist – wozu die Mitteilung des Bretag-Vorstands passt: „Spätestens“, umreißt sie Haiders Antrittstermin, „im Laufe des nächsten Jahres“. bes

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