piwik no script img

Droben stehet die Kapelle zur Einkehr

Skifahren in Tschechien: Lange Loipen, kurze Abfahrten, Serviettenknödel mit Sauce, einsame Landschaft. Und abends gibt’s American Style bei Heidi

von EDITH KRESTA

Das finden Sie in Österreich garantiert nicht! Eine kleine Kapelle am Wegesrand und aus dem Lautsprecher unterm Dachgiebel dröhnen die Top Ten der tschechischen Hitparde. Mitten in der Pampa. Innen drin gibt es statt Heiligenbildchen und Altar, blonde Pin-ups und einen Ausschank. Nur der künstliche Blumenschmuck an der Wand könnte den Ort auch schon zu christlicheren Zeiten geziert haben. Eng gedrängt sitzen die winterlich eingemummelten Gäste bei Glühwein, Flaschenbier oder Grog. Die Kapelle ist Zufluchtsort für Langläufer und Spaziergänger und sozialistisches Erbe im Isergebierge.

Das hat auch das Hotel Maruska in Hrabětice noch nicht abgelegt. Das Maruska, drei Sterne, hat eine Bar mit Kamin, Zimmer mit künstlichem Veilchengesteck und TV, aber keinen Zimmerservice, geschweige denn einen Handtuchwechsel. Ein Lächeln der Hotelangestellten ist im Pauschalangebot nicht inbegriffen, dafür aber der Vorteil, dass es mitten im Skigebiet liegt.

Das Isergebierge schließt sich im Nordwesten Tschechiens ans bekanntere Riesengebirge an. Von Berlin ist es gerade mal fünf Stunden Zugfahrt entfernt. Es ist schneesicher und unspekataklulär. Hier treffen sich tschechische Familien aus dem nahen Liberec, aus Pilsen oder Prag zum Skifahren. Hier urlauben und urlaubten aus Tradition viele Ostdeutsche. Bedřichov oder Hrabětice, so die unausprechlichen Namen der Wintersportorte, sind Familienskigebiete. Mit leichten Abfahrtspisten und ausgedehnten Loipen haben sie unterschiedlichen Geschmäckern etwas zu bieten.

Bei der einheimischen Küche trifft das weniger zu: montags Serviettenknödel mit Fleisch und Sauce, dienstags Serviettenknödel mit Fleisch und Sauce, mittwochs Serviettenknödel mit … Die Küche ist schwer und fantasielos. Gemüse und Salat, selbst Kohl, wird nur selten gereicht. Im Kolonialwarenladen in Bedřichov gibt es neben Zahnpasta, Keksen und Buchteln allenfalls ein paar Äpfel, Orangen und vertrocknete Zitronen. Nicht nur die Vegetarier unserer Reisegruppe leiden. Die sind hier ohnehin nicht vorgesehen. Dementsprechend fällt ihr Menü aus: Der Blumenkohl, dick in Fett ausgebacken, macht jeden ernährungswissenschaftlich schonenden Effekt garantiert kaputt. Lichtblick der Speisekarte: die Knoblauchsuppe und die Palatschinke. Und natürlich das tschechische Bier für circa 50 Cent der halbe Liter!

Andreas ist der Vortänzer unserer Gruppe. Der Berliner mit der kessen Sohle, der Zockerleidenschaft und den Spielen im Handgepäck rettet jedes Abendvergnügen im beschaulich-ruhigen Hrabětice. Auch den Tanzabend in der nach Schweizer Traditionsgastronomie benannten Pension „Heidi“. Der DJ, Typ Althippie mit langem, strähnigem, dünnem Haar, baut seine großen Boxen im Esssaal auf, was die Stammtischrunde sofort zur Flucht veranlasst. Versteckt hinter einer Riesenbox spielt er scheppernden Country. Nun verlassen auch die Paare am Tisch gegenüber den Raum. Doch Andreas mischt mit einem flotten Jive die fünf Übriggebliebenen auf. Und auch das Paar am Nebentisch schiebt sich zur Tanzfläche. Tschechen mögen Country, wird uns gesagt. Und das passt gut zur Landschaft.

Die ist abwechslungsreich und präsentiert sich jeden Tag anders: mit verschneiten Tannen im Sonnenschein, unter grauen Nebelschwaden oder in verregneter postsozialistischer Tristesse. Aber trotz alledem: So viel Schnee wie im Isergebirge mit seinen 1.000 Höhenmetern gab es vor einigen Tagen in den Nordalpen auf vergleichbarer Höhe nicht. Und vor allem nicht so günstig.

Geführte Touren: Nordlicht, Gneisenaustr. 19, 10961 Berlin, Tel. (0 30) 69 40 13 06, Fax (0 30) 69 40 13 08, info@nordlicht-kanu.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen