: „Eine teilweise Pervertierung des Stiftens“
Rainer Sprengel, Fachmann für neue Formen der Bürgergesellschaft, die sich neben Staat und Wirtschaft organisiert, warnt vor Mischformen bei Stiftungsgründungen. Sie sollten als Privatengagement identifizierbar bleiben
taz: Herr Sprengel, die Kulturpolitik entdeckt die Stiftung als Reforminstrument für die Opern. Begrüßen Sie diese Lösung als Befürworter einer stärkeren Zivilgesellschaft?
Rainer Sprengel: Die genauen Pläne liegen mir zwar noch nicht vor, ich habe jedoch den Eindruck, dass es nicht vorrangig darum geht, eine Stiftung mit einer Stiftungsidee zu gründen. Vielmehr versucht man, zwei Diskussionsstränge zu befriedigen: die drei Opern hintergründig zu fusionieren in Form einer Dach-Stiftung und die Autonomie der Intendanten zu wahren in Form von untergeordneten GmbHs. Das erzeugt den Anschein, dass man sich nicht entscheiden kann oder will. Im Grunde diskreditiert dies den ursprünglichen Stiftungsgedanken: einen festgeschriebenen Zweck dauerhaft zu verfolgen, indem man Kapital sammelt und bereitstellt.
Käme eine reine Stiftung ohne GmbHs dem ursprünglichen Stiftungsgedanken näher?
Leider ist es nicht ganz so einfach. Wir haben mehrere Stiftungstypen, die in unterschiedlicher Weise für Problemlösungen geeignet sind. Man muss also auch wissen, welches Problem man lösen will. Ein Opernverbund könnte in Form einer Stiftung öffentlichen Rechts errichtet werden. Diese bliebe Teil des Staatsverbandes, kann allerdings flexibler etwa im Bereich des Personalwesens sein. Durch einen sinnvoll zusammengesetzten Stiftungsrat kann es gelingen, Impulse aus der Gesellschaft einzubinden. Gerade weil sich wenig ändert, gewinnt man Personalräte am ehesten für so ein Modell.
Könnte eine privatrechtliche Stiftung mehr Autonomie garantieren? Sie würde den Opernbund aus dem Staatsverbund herauslösen.
Hier können die Freiheiten in der Tat erheblich weiter gehen. Das tatsächliche Maß an Autonomie hängt jedoch an der stifterischen Mitgift. Bleibt diese eher symbolisch und der Betrieb auf laufende öffentliche Zuwendungen angewiesen, ändert sich letztlich wenig: Der Landesrechnungshof regiert und die Subventionsmentalität bleibt.
Bliebe die Möglichkeit einer Mischform. Zum Beispiel eine vertragliche Zusicherung über laufende Zuwendungen für die nächsten Jahre und die Übertragung von Vermögenswerten inklusive Startvermögen.
Selbst wenn das Geld da wäre: für mich ist nicht zu erkennen, mit welchem Recht eine auf kurze Zeit gewählte Regierung aus Steuergeldern solche Beträge ausgeben sollte. Ich bin ein Anhänger davon, dass der Bereich des privatrechtlichen Stiftungswesens identifizierbar bleiben sollte als Bereich des rein privaten Engagements für das Gemeinwohl.
Bei den beiden Bibliotheken des Landes, der Amerika-Gedenkbibliothek und der Berliner Stadtbibliothek, hat die Konstruktion der übergreifenden Stiftung Zentral- und Landesbibliothek gut funktioniert.
Diese Stiftung hat ein wiedervereinigungsbedingtes Problem gelöst: zwei große öffentliche Bibliotheken, die man unter ein Dach führen wollte. Ziel war es nicht, Geld einzusparen, sondern zwei unterschiedliche Bibliothekskulturen zusammenzuführen. Die Dienstverhältnisse wurden nicht geändert. Ein umfassend neues Aufgabenprofil als Landesbibliothek wurde formuliert.
Die Zahl von drei Opern ist auch auf die Teilung Berlins zurückzuführen. Wo liegt der Unterschied zu den Bibliotheken?
Bei den Opern hat es den Anschein, dass über die Gründung von Stiftung plus GmbHs zum Beispiel auch Tarifverträge ausgehebelt werden könnten. Ziel ist es ja, eine Art von Teil- oder Ganzprivatisierung durchzuführen. Welche Art Stiftung auch gegründet werden mag: offensichtlich ist die Hoffnung, dass Privatleute solchen Stiftungen leichter Geld zukommen lassen, als wenn sie weiterhin klar identifizierbare Staatsbetriebe wären.
Was spricht gegen diese Hoffnung? Immerhin geht es darum, ein Finanzierungskonzept zu erstellen.
Die Schlussfolgerung „Hauptsache Stiftung, dann bringen Mäzene das Geld“ ist eine ziemlich abwegige Idee. Ob mehr Privatgeld fließt, entscheidet sich nicht daran, ob man eine Stiftung gründet, sondern ob man entsprechende Strategien der Öffnung entwickelt. Es gibt Untersuchungen – auch zu Berlin – im Bereich Staat und Museen, aus denen sehr klar hervorgeht, dass nichts passiert ohne eine andere Form von Management. Ohne eine Öffnung, die es Bürgern und potenziellen Geldgebern ermöglicht, mitwirken zu können. Politiker und Verwaltungen wollen Aufsichts- und Kontrollmöglichkeiten behalten, nur das Geld soll von Privatleuten kommen. Dafür aber sind Stiftungen nicht da.
Warum nicht?
Das Interessante an denen ist gerade die Autonomie. Die recht rege Tätigkeit der öffentlichen Hand stellt teilweise eine Pervertierung des Stiftens dar. Es ist nichts anderes als der Versuch, freiwillige Steuerleistung zu erhalten, ohne dass es die Leute als solche wahrnehmen. Und das kann nicht Ziel und Zweck von Stiftung sein. INTERVIEW: SUSANNE LANG
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