: Hapag-Lloyd bleibt im Heimathafen
Hamburger Konsortium Albert Ballin übernimmt die Mehrheit an der größten deutschen Containerreederei. Der Aufsichtsrat des TUI-Konzerns beschließt Verkauf für 4,45 Milliarden Euro. Die Stadt Hamburg ist mit einer halben Milliarde beteiligt
Die Hapag-Lloyd AG entstand 1970 aus der Fusion der beiden größten deutschen Reedereien, dem Norddeutschen Lloyd in Bremen und der Hamburger Hapag. Die Vorläuferunternehmen wurden schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet. 1997 wurde Hapag-Lloyd vom TUI-Vorläufer Preussag übernommen, in der Folge blieb sie eine hundertprozentige Tochter des Hannoveraner Mischkonzerns TUI. Die fünftgrößte Containerreederei der Welt verfügt über 143 Schiffe und beschäftigt weltweit mehr als als 8.000 Beschäftigte, davon gut 2.000 in der Zentrale am Ballindamm an der Hamburgrer Binnenalster. Mit 340 Vertriebsbüros ist die Reederei in mehr als 100 Ländern vertreten. Der Umsatz betrug im vorigen Jahr fast sechs Milliarden Euro. Die neuesten Zahlen aus dem 2. Quartal 2008 weisen einen Zuwachs um 2,6 Prozent auf rund 1,5 Milliarden Euro aus, der Gewinn stieg von 13 auf 89 Millionen Euro. SMV
VON KAI SCHÖNEBERG UND SVEN-MICHAEL VEIT
Die größte deutsche Containerreederei Hapag-Lloyd bleibt im Norden. Das Hamburger Konsortium Albert Ballin erhielt am Sonntag den Zuschlag für das Unternehmen. Das beschloss nach Informationen der taz nord eine Sondersitzung des TUI-Aufsichtsrats am Abend in Hannover. Die Sitzung dauerte bei Redaktionsschluss noch an.
Thematisiert wurde bei dem Treffen aber auch die Option, das Tochterunternehmen Hapag-Lloyd angesichts der Finanzkrise vorerst nicht zu verkaufen. Es gebe keinen „Automatismus“ für einen Verkauf an die Hamburger, hatte es vor der Sitzung der Kontrolleure geheißen.
Der Kaufpreis für zwei Drittel des Unternehmens soll bei etwa vier Milliarden Euro liegen, ein Drittel der Anteile will TUI behalten. Nur weil der Touristik- und Schifffahrtskonzern weiter am Gemeinschaftsunternehmen beteiligt ist, sei trotz der Finanzkrise ein Verkauf zu einem für die TUI akzeptablen Preis zu erzielen gewesen, hieß es am Sonntag aus Aufsichtsratskreisen.
Damit wird auch die Hansestadt Hamburg Anteilseigner an der 1847 gegründeten Traditionsreederei. Der Senat hatte Anfang Juli bekannt gegeben, sich „mit einem dreistelligen Millionenbetrag“ an der Rettung des Unternehmens beteiligen zu wollen. Konkret genannt wird jetzt die Summe von 484 Millionen Euro, die über die HGV, eine städtische Beteiligungs-GmbH, finanziert und verwaltet wird.
Zu dem Konsortium gehören außerdem Klaus-Michael Kühne, Chef der größten deutschen Spedition Kühne & Nagel, HSH Nordbank, die Privatbank M. M. Warburg und die Versicherungen Hanse Merkur und Signal Iduna. „Diese Punktlandung ist ein Befreiungsschlag für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, jubelte Hamburgs Finanzsenator Michael Freytag.
Mit der „Hamburger Lösung“ wollen Stadt und Investoren einen Abzug des Unternehmens mit seiner Zentrale aus der Hansestadt und den mögliche Verlust von bis zu 2.000 Arbeitsplätzen verhindern. Ziel der Gruppe ist es, „Hapag-Lloyd als eigenständiges Unternehmen langfristig am Standort Hamburg zu erhalten und weiter zu entwickeln“.
Am Freitag hatte der einzige Konkurrent, die Reederei Neptune Orient Lines (NOL) aus Singapur, ihr Angebot zurückgezogen. NOL-Chef Ron Widdows sagte, der Konzern habe ein Angebot eingereicht, dass aus seiner Sicht Hapag-Lloyd vollständig bewerte und die schwierigen Marktbedingungen in der Container-Schifffahrt berücksichtigt habe. Dieses Angebot sei nun hinfällig. Nähere Begründungen hatte er nicht genannt, ein TUI-Sprecher wollte dies nicht kommentieren.
TUI hatte die Tochterfirma im März dieses Jahres auf Druck aus dem Aktionärskreis zum Verkauf gestellt. Vor allem der norwegische Reeder und Großaktionär John Fredriksen hatte vehement eine Aufspaltung des Konzerns in eine Tourismus- und eine Schifffahrtssparte gefordert. Der Vorstand unter Michael Frenzel hatte das lange abgelehnt, gab aber schließlich nach.
In der Folge hatte sich eine seltene Allianz gebildet. Der Hamburger Senat, alle vier in der Bürgerschaft vertretenen Parteien, Geschäftsführung und Betriebsrat von Hapag-Lloyd sowie die sich gründende Investorengruppe hatten die Befürchtung geäußert, der direkte Konkurrent NOL würde Hapag-Lloyd zerschlagen. Neben einem massiven Abbau von Arbeitsplätzen wurde auch die Umleitung von Warenströmen befürchtet. Die Reederei schlägt allein im Hamburger Hafen mehr als ein Drittel aller rund zehn Millionen Container jährlich um.
Zuletzt hatte selbst die nordelbische Bischöfin Maria Jepsen auf einer öffentlichen Betriebsversammlung in der Hafencity am 24. September Zuspruch geboten. Und Freytag hatte mit Blick auf die internationale Finanzkrise ungewohnt klassenkämpferisch erklärt, er habe „die Nase voll von Finanzjongleuren, die gesunde Unternehmen kaputt machen“. Unter dem Beifall von etwa 800 Gewerkschaftern und Betriebsräten hatte der Christdemokrat versichert: „Der Senat kämpft dafür, dass Hamburg Ihr Heimathafen bleibt.“
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