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Loyaler Abweichler

Radio Bremen legt die Sendung „Wintergäste“ neu auf. Die Moderation übernimmt wieder Häppchenjournalismus-Skeptiker Otmar Willi Weber

„Ein Formatradio gewinnt an Format, wenn es sich Abweichungen vom Format leistet“

Sie nennen ihn Owi. Mit Owi haben viele Bremer im legendären “Popkarton“ erste Radioluft geschnuppert. Owi ist für „Art & Weise“ im Ü-Wagen durch die Stadtteile getourt und hat live aus der Wohngemeinschaft moderiert, als es „big brother“ noch lange nicht gab. Jetzt moderiert Otmar Willi Weber im „Funkhaus Europa“ und im Nordwestradio. Immer wieder sonntags geht er da „Nordwest vor Ort“, sendet live von Events und Fixpunkten des Lebens in der norddeutschen Tiefeben. Seine Fans und Freunde intelligenten Radios haben dennoch was vermisst und fragten den Radiomacher immer wieder nach der Sendung „Wintergäste“ – die es jetzt „endlich wieder!“ gibt.

Jahrelang hatten sich die „Wintergäste“ Sommers und Winters samstags in der Schauburg getroffen: Schon früh am Morgen stand der Ü-Wagen vorm Kino, drinnen wurden Cafétischchen zusammengerückt und es gab ein gutes, üppiges Frühstück. Gesendet wurde live. Zu einem weit gereisten Gast und zwei Stunden Gesprächskultur gehörten auch ein intelligentes Hörerrätsel (das heute im Internet auf der Seite www.hoersturz.org der Hörer-Bürgerinitiative „Hörsturz“ weiterlebt), ein wenig Live-Kultur und bisschen Musik – Perlen der Radiokultur.

2001 war unverständlicherweise Schluss mit dieser schönen Tradition. Weber motzte zum Ende der Live-Übertragung mit dem letzten Sommergast Dietmar Schönherr in den Äther, er finde, dass man nicht allen Menschenschicksalen „mit Fünf-Minuten-Häppchen gerecht werden kann – da braucht es ein Wort mehr.“ Und überhaupt: „Ein Formatradio gewinnt an Format, wenn es sich Abweichungen vom Format leistet.“

Das hat ihm im Sender nicht nur freundlichen Beifall eingebracht. Weber aber ist wichtig, „loyal meinem Sender gegenüber zu sein – und ich möchte es auch den Hörern gegenüber sein.“ Deshalb ist er jetzt auch wieder dabei, wenn sich das Nordwestradio eine kleine Abweichung von seinem strikten Format leistet und die „Wintergäste“ wiederbelebt.

Im Wechsel mit Silke Behl moderiert er zunächst sechs Gäste-Sendungen: Vergangenen Samstag war Michael Naumann da, morgen kommt Dagmar Berghoff, dann folgen ZDF-“Mona Lisa“ Maria von Welser, Spiegel-Herausgeber Stefan Aust, der Sprecher Christian Brückner und Anke Engelke. Von der Schauburg zieht man in die Sparkassenhalle am Brill ins neue „Bremen4u“-Studio-Café. Die Sendung ist nicht mehr live, sondern wird aufgezeichnet, geschnitten und ins Format der Welle eingepasst. Immerhin: Für die Musikauswahl sorgen die Promis selbst. Wer will, kann das Live-Erlebnis also eine Woche später mit der Schnittfassung im Nordwestradio vergleichen.

Otmar Willi Weber will genau so talken, wie in den vergangenen Jahren: „Das Haupterlebnis ist vor Ort. Und ich wünsch mir, dass der Zusammenschnitt die Dynamik des Gesprächs wiedergibt.“ Sonst könnte Intensität verloren gehen, „die Entwicklung, der Schreck, eine Unsicherheit, die Verstörung“, die eine Unterhaltung spannend machen. Margarethe von Trotta hat ihm nach ausufernder Alberei mal urplötzlich klargemacht: „Das ist jetzt nichts für ein Spiel!“ Eiskalt sei die Stimmung sofort gewesen, Filmemacherin und Moderator „mussten erstmal vorsichtig wieder warm werden“. Er liebt am Radio „das Schnelle, Direkte“.

In der Schauburg hängen zwischen lauter Filmstars noch Fotos der prominenten Gäste vorm RB-Mikrofon an den Wänden. Dass die über Jahre gewachsene Redaktion der Sendung komplett ausgewechselt wurde, schmerzt Weber ein wenig. Andererseits: „Das gute, familiär entwickelte Produkt kommt in ein neues Regal. Es ist ein Neuanfang.“

Weber ist gespannt, „ob man vielleicht diese 5-Minuten-Dramaturgie verinnerlicht, ob die Zusammenschnitte die Dichte und Direktheit des Gesprächs haben“. Die Augen des Radiomachers blitzen dann voll Neugier und Lust auf neue Formen: „Ich freue mich riesig auf meine Gäste, die Gespräche – und darauf, wieder dem Publikum zu begegnen!“ Fehlt nur noch Adrenalin: „Aufzeichnungen verleiten zu Unkonzentriertheit“, fürchtet er. Aber Owi will sich nicht ärgern. Das Live-Publikum wird ihm den Kick schon geben. Und hoffentlich gibt es gutes Frühstück.

Carsten Werner

Die Aufzeichnungen sind immer samstags 11-13 Uhr im bremen4u-Café, Sparkassen-Foyer Am Brill. Die nächsten Gäste: Dagmar Berghoff (8.2.), Maria von Welser (15.2.), Stefan Aust / Christian Brückner (22.2.). Der Eintritt ist frei. Sendung im Nordwestradio 88,3 MHz jeweils am darauffolgenden Samstag von 9.30 - 11 Uhr. Die nächste Sendung am 8. Februar ist mit Michael Naumann

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