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Mikrowellen und Sperma

Die Biowissenschaftlerin und ihr blauer Klon, ihr grüner Klon, ihr roter Klon: „Teknolust“ von Lynn Hershman Leeson im Forum ist charmant ziellos und wirkt mit seinem Design der Räume und Bilder wie der Witz eines Computernerds

Wahrscheinlich ist die Idee zu „Teknolust“ aus einem Witz in den Computerlabs von Silicon Valley heraus entstanden. Damals, in den Neunzigern, war „Cyber-Feminismus“ gerade das neue Schlagwort. Heute wirkt Lynn Hershman Leesons neuer Film vor allem so befremdlich, weil die Manifeste von Donna Haraway längst von techno-feministischen Diskursen überholt worden sind. Hershman Leeson setzt in „Teknolust“ dem Urvertrauen in die Technologie die Kraft authentischer Liebe entgegen, wenn auch nichts mehr so real ist, wie es scheint. Am Ende schlüpft die Schöpferin in ihre virtuelle Rolle, während ihr Klon Urlaub in der Realität machen darf. Den Unterschied merkt sowieso niemand mehr.

Viermal Tilda Swinton sind vier gute Gründe für „Teknolust“ – ohne dass der Film selbst wirklich gut sein muss. Swinton spielt die Biowissenschaftlerin Rosetta Stone, die aus ihrer eigenen DNS drei nahezu identische Klone geschaffen hat, die in farblich perfekt abgestimmten Environments gehalten werden. Marinne (blau), Olive (grün) und Ruby (rot) haben längst einen eigenen Willen entwickelt. Und während Marinne und Olive sich noch jugendfrei miteinander amüsieren, zieht es Ruby in die Welt, wo sie männlichen Partnern das Sperma abzapft und mit einem Virus infiziert.

Swintons zweite Zusammenarbeit mit Hershman Leeson nach dem etwas prätentiösen „Conceiving Ada“ sieht tatsächlich etwas wie der Witz eines Computernerds aus: das slicke Design der Räume und Bilder, die in ihrer klinischen Digitalität etwas post-wavig Campes haben (wie ein kuschelsexy drogenfreies Update von „Liquid Sky“), die konsequente Farbkodierung, männliches Sperma als Nährstoff für weibliche Replikanten, natürlich subkutan verabreicht, oder Gimmicks wie eine Mikrowelle als Interkom und gebrauchte Kondome als Teebeutel. „Teknolust“ folgt seiner Idee bewusst halbherzig und nutzt den Handlungsfaden eher für flüchtige Abstecher in semiphilosophische Nebenfelder oder die Absurditäten unterschiedlichster Nerdexistenzen. Hershman Leesons surreale Digi-Noir-Stimmung jedenfalls passt zur Zerfahrenheit des Drehbuchs, falls der Film je so etwas besessen oder gebraucht hat. Die Verwirrtheit, mit der „Teknolust“ spielt und die Jeremy Davies als sozial gestörter „Copyboy“ verkörpert, ist charmant und angenehm ziellos. ANDREAS BUSCHE

Heute, 19.15 Uhr, Delphi, morgen, 15.30 Uhr, CinemaxX 3

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