: Der andere Tourismus
Auf dem Reisepavillon in Hannover trafen sich letztes Wochenende die Anbieter alternativer Reiseangebote. Sie zogen auch eine Bilanz des vergangenen Internationalen Jahres des Ökotourismus. Fazit: Öko ist allenfalls ein Zusatznutzen des Angebots
von CHRISTEL BURGHOFF
Das Jahr des Ökotourismus, das die Vereinten Nationen und die Welttourismusorganisation für 2002 ausgerufen hatten, ist vorüber – die Diskussionen darüber sind es nicht. Der traditionell diskussionsfreudige „Reisepavillon“ (vom 31. 1. bis 2. 2. 03 in Hannover) versuchte sich auf gleich zwei Veranstaltungen an einer Bilanz dieser internationalen Kampagne und rührte so auch an den Kontroversen, die darüber geführt wurden. Vor allem NGOs des Südens hatten eine touristische Offensive auf die letzten Naturrefugien dieser Welt befürchtet – nun musste man feststellen, dass der große Run ausgeblieben ist. Was war es also, das Ökotourismusjahr, war es ein Flop?
Während die Kritiker erleichtert aufatmen können, sind vor allem die Anbieter von Ökoreisen enttäuscht. Man ist enttäuscht vom Desinteresse der Medien, die kaum darüber berichteten, aber auch von der mangelnden Bereitschaft großer Veranstalter, Ökoreisen zu lancieren. Viele Chancen wurden vertan, selbst jetzt, nach vielen weltweiten Konferenzen zum Jahr des Ökotourismus, ist ungeklärt, was unter Ökotourismus wirklich zu verstehen ist. Allein die Initiatoren der Kampagne geben sich unverdrossen optimistisch. Oliver Hillel von der Unep, der Umweltorganisation der Vereinten Nationen, betonte den schwer messbaren „unterschwelligen“ Effekt, der von den internationalen Konferenzen ausgehe und langfristig die Tourismuspolitik der Länder beeinflusse. Und er warb für Geduld: Vielleicht sollten wir die Diskussionen um die so genannte Nachhaltigkeit im Tourismus mit der Wirkung der Homöopathie vergleichen, sie als eine Therapie verstehen, die, wie Hillel meinte, helfen kann, aber nie schade.
Dennoch erstaunte, wie klar die Szene der Ökoanbieter und kleinen Reiseveranstalter auf dem Reisepavillon jeden messbaren ökonomischen Nutzen des Ökotourismusjahres verneinte. Natürlich wurden wieder Wachstumserfolge vermeldet, der Verband „Forum Anders Reisen“, dem über 80 Anbieter angehören, berichtete von durchschnittlichen Umsatzsteigerungen von 20–25 Prozent für das vorige Jahr – aber das gilt in dieser Branche als normal. „Hier wird der hohe Erlebniswert gebucht“, meinte Kai Pardon von „One World“-Reisen, „Öko ist quasi der Zusatznutzen, den unsere Gäste haben.“ Mehr und mehr, so scheint es, verbindet sich Umweltbewusstsein mit Qualitätsansprüchen. Ein Trend, der nahezu unbemerkt vonstatten geht.
Vielleicht trägt dieser Trend auch zum dauerhaften Erfolg des Reisepavillons bei. Der einst bescheiden-beschauliche „Marktplatz für anderes Reisen“ (wie sich der Reisepavillon immer noch nennt) ist jetzt im 13. Jahr seines Bestehens in einer großen und lichten Halle der Hannovermesse angekommen. Zur Eröffnung gaben sich Ministerin Renate Künast und Bergsteigerlegende Reinhold Messner die Ehre. Der Reisepavillon kooperierte wieder mit dem Bundesunternehmen „Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit“ (GTZ). Das „Forum International für nachhaltigen Tourismus“ bot unter anderem einen Marketingworkshop, ein spezieller Ausstellungsbereich informierte über die Reiseangebote der von der GTZ geförderten Entwicklungsprojekte in teilweise sehr exotischen Regionen etwa in Äthiopien oder in Laos.
Über 200 Veranstalter zählte der Reisepavillon, immer mehr Anbieter im Bereich des Nationalparktourismus sind hinzugekommen. Und neben all den schönen Angeboten von Ökoreisen in eine intakte und großartige Natur sorgten auch die tourismuskritischen Gruppen der Arbeitsgemeinschaft „Dante“ wieder für Diskussionsstoff. Sie thematisierten in einer neuen Kampagne den „fairen“ Handel im Tourismus, ein Thema, das seit je für entwicklungspolitisch engagierte NGOs zentral war, im Zuge der Ökodiskussion jedoch ins Abseits geriet. Und so eröffnete die Arbeitsgemeinschaft erneut die Diskussion um Verteilungsgerechtigkeit, um Transparenz und Mitsprache der Produzenten im internationalen Wirtschaftsgeflecht. Sie versteht ihren Vorstoß nicht als Plädoyer für neue Reiseprodukte, sondern als Herausforderung an die unternehmerische Verantwortung im Tourismus. Das Ziel: mehr Reiseangebote mit glaubwürdigen Labels auf dem Markt zu lancieren. Was bei Bananen möglich ist, könnte auch fürs Reisen gelten, meinte Christine Plüss vom Schweizer „Arbeitskreis für Tourismus und Entwicklung“. Immerhin würden in der Schweiz schon über 20 Prozent aller gehandelten Bananen aus dem „fairen“ Handel kommen. Diese Größenordnung verblüffte so manchen Zuhörer. Nicht zuletzt deshalb, weil der Marktanteil von Ökoreisen nur zwischen 1 und 3 Prozent liegt – trotz aller internationalen Promotion.
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