: Alpiner Pisten-Cowboy aus New Hampshire
Bode Miller ist der erfolgreichste Teilnehmer der Ski-WM in St. Moritz und will diese morgen mit Slalom-Gold krönen
„Sie sitzen da und warten auf ein paar Freunde, mit denen sie rumhängen können.“ Die Burschen, von denen Bode Miller so liebevoll spricht, sind jene Medaillen, die er bisher bei den alpinen Ski-Weltmeisterschaften in St. Moritz gewonnen hat: Gold in der Kombination, Gold im Riesenslalom, Silber im Super G. „Eine hübsche Sammlung“, wie der 25-Jährige findet. Morgen könnte sich bereits das nächste Mitglied der illustren Gesellschaft einfinden, denn dann geht die WM mit dem Slalom zu Ende, und mit einem weiteren Titel könnte der US-Amerikaner mit dem schläfrigen Blick und dem wüsten Fahrstil einer der erfolgreichsten Medaillensammler aller Zeiten bei einer WM werden.
Natürlich muss er zunächst einmal ankommen im Ziel, eine Übung, mit der Bode Miller lange Zeit beträchtliche Schwierigkeiten hatte. „Wie ein Rodeoreiter“ urteilte einmal kein anderer als Hermann Maier, selbst nicht für übermäßige Zurückhaltung auf der Piste bekannt, über den Draufgänger aus Franconia, New Hampshire. Im Jahr 2001 schied Miller, der wegen seiner Herkunft aus der Alternativkultur einst den Beinamen „The Great Hippie Hope“ mit auf den Weg bekam, noch in 13 von 24 Rennen aus. Wenn er allerdings ankam, lag er meist ziemlich weit vorn. Inzwischen gelingt es ihm wesentlich häufiger, seine Rennen zu beenden, auch wenn die Fahrten nach wie vor an Rasanz nichts zu wünschen übrig lassen. Bei Olympia in Salt Lake City brachte ihm das zwei Silbermedaillen ein, in dieser Saison ist Miller nicht nur der Abräumer bei der WM, sondern auch der heißeste Konkurrent des Österreichers Stephan Eberharter im Kampf um den Gesamt-Weltcup. Das liegt vor allem daran, dass er sich auch in der Abfahrt zu einem exzellenten Rennläufer entwickelt hat – dies, obwohl er sich vor zwei Jahren bei der WM-Abfahrt von St. Anton einen Kreuzbandriss zugezogen hatte, der fast seine Karriere beendete.
Aufgewachsen ist Bode Miller, wie sich das für einen echten Hippie-Spross gehört, in einer Hütte ohne Strom, damit natürlich auch ohne Fernsehen und ohne sanitäre Anlagen. Fließend Wasser gab es in einem Bach, der vor der Behausung vorbeiplätscherte. Seine Lebenseinstellung ist in erster Linie entspannt. „Ich finde heraus, was mir Spaß macht, und dann finde ich heraus, wie ich das möglichst gut tun kann“, pflegt er zu sagen. An Selbstbewusstsein fehlt es dem stets freundlichen Ski-Cowboy kein bisschen, was er kürzlich gegenüber staunenden Reportern unter Beweis stellte, denen er von seinem Talent für andere Sportarten berichtete. Im Fußball hätte er durchaus das Niveau eines Ronaldo erreichen können und im Tennis ganz oben in der ATP-Tour mitspielen. Er entschied sich für das Skifahren, weil er „nicht von Linienrichterentscheidungen abhängig sein wollte“.
Der Slalom ist seine atemberaubendste, aber auch heikelste Disziplin. Wie einst Alberto Tomba, pflegt er den ersten Lauf gern etwas zu verschlafen, um dann im zweiten umso furioser durch den Stangenwald zu brausen. In Salt Lake City kostete ihn dies eine weitere Olympiamedaille. „Gold oder gar nichts“ sei das Ziel gewesen, erklärte er, nachdem er schon an einem der ersten Tore vorbeigeflitzt war. Besonders schwer nahm er die Sache nicht. „Tja, Leute, dass ist eben Slalom“, sprach er, grinste ein wenig und ging vergnügt seiner Wege. MATTI LIESKE
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