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kiefer, richter etc.Volkserziehung Version 2.0

Es könnte ein schöner Einfall sein, dass morgen mit dem 1943 in Donaueschingen geborenen Anselm Kiefer ein bildender Künstler den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält. Tatsächlich wird der Preis, dem Statut entsprechend, einer Persönlichkeit verliehen, „die in hervorragendem Maße, vornehmlich durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat“.

Es könnte auch eine zumindest interessante Idee sein, dass das Museum Ludwig in Köln heute eine Ausstellung mit Gerhard Richter eröffnet, dem neben Anselm Kiefer international wohl bekanntesten deutschen Maler, die sich allein auf Richters abstraktes Werk konzentriert.

Könnte. Traute man nur den Beweggründen dieser Entscheidungen über den Weg. Was hat Anselm Kiefer – vom Stiftungsratmitglied Werner Spies ein „mächtiger Ikonograf und Mythenverwalter“ genannt – konkret so Friedensförderliches nur getan? Der Beuys-Schüler, der seine Gemälde mit Hilfe von Blei, Stroh, Brandspuren u. ä. als monumentale Materialschlachten inszeniert, errichtete seine in Blei gegossene Bibliothek von – selbstverständlich – Riesenfolianten nicht nur als Bollwerk „gegen den Defätismus, der Buch und Lesen eine Zukunft abzusprechen wagt“, wie die Jury sagt. Mit seiner figurativen Verwaltung deutscher Mythen (inklusive Nationalsozialismus und Holocaust) überwand er für die Jury noch rechtzeitig „das Diktat der unverbindlichen Ungegenständlichkeit der Nachkriegszeit“!

Womit wir wieder bei Gerhard Richter und dem Museum Ludwig wären. Dem Museum direkt benachbart ist der Kölner Dom, für welchen Gerhard Richter jüngst ein Fenster entwarf. Bekanntlich hat die „unverbindliche Ungegenständlichkeit“ der 11.263 in 72 Farben leuchtenden, mundgeblasenen Glasquadrate, den Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner sehr verärgert. Da er sich jetzt in einer Moschee statt im Dom wähnt, wurde er grundsätzlich und sprach er von „Kultur, die entartet“ und „ihre Mitte verliert“.

Es könnte der Friedenspreis für Kiefer also auch ein unschöner Einfall sein, und die ausschließliche Konzentration auf Richters abstraktes Werk eine ganz und gar uninteressante Idee. Denn der Verdacht, hier werde in wenig friedensfördernder, weil unlauterer, volkspädagogischer Absicht das „1. Darmstädter Gespräch“ von 1950 noch einmal aufgeführt, drängt sich auf. Das Museum bezieht in der Rolle des Avantgardisten Willi Baumeister Position gegen Meisner, mit dem der Stiftungsrat des Buchhandels wiederum gemeinsame Sache macht und dabei den Part des Kunsthistorikers Hans Sedlmayr übernimmt. Das frühere NSDAP-Mitglied hatte ja unter dem Titel „Verlust der Mitte“ rechtzeitig, gleich nach dem Krieg, wieder Front gegen die Moderne, die Avantgarde und die „unverbindliche“ Abstraktion gemacht. BRIGITTE WERNEBURG

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