: h.g. hollein S-los
Die Frau, mit der ich lebe, achtet auf ihre Sprache. Und die anderer Leute. So erspähte sie unlängst auf einem Bus die Werbung eines Restaurants, welches vermittels selbiger zu einem „Mittagtisch“ einzuladen vermeinte. So weit sie wisse, empörte sich die Gefährtin, hieße das immer noch „Mittagstisch“. Ich wies zaghaft darauf hin, dies sei doch – ebenso wie das seit geraumer Zeit auf einem Hinweisschild in unserer Straße zu lesende „Umzugkartons“ – ein Zeichen für den vitalen Sprachwandel von unten. „Papperlapapp!“ konterte die Gefährtin ergrimmt. „Dann sagen wir demnächst also auch ‚hoffnunglos‘? Von wegen ‚Ich bin der Hoffnung los? Oder was?‘ Einen gewissen Sinn, fand ich, mache dieses Prinzip schon. Wer da etwa äußere, er sei „arbeitlos“, liege semantisch ja nicht ganz falsch. Außerdem ließe sich diese Form ganz wunderbar der neuen Rechtschreibung anpassen: „Ich bin Arbeit los“ sei nun wirklich in sich stimmig. Im Übrigen hieße es ja auch jetzt schon nicht „Würstchensbude“ oder „Dackelsohren“. Dabei handele es sich, musste ich mich belehren lassen, um einen evolutionär gewachsenen Plural: „der Dackel Ohren“, mithin wäre hier ein S sogar fehl am Platze. Ein Streitfall sei doch aber wohl, beharrte ich, „Hodensack“. Erstens sei da ein S drin und ... Zweitens sei die männliche Physis zwar beknackt, erfuhr ich, aber immerhin nicht so beknackt, dass sie jedem Hoden seinen eigenen Sack umgehängt hätte. Dann, und nur dann, könne von „des Hodens Sack“ gesprochen werden. Beim derzeitigen Stand der Dinge seien Hoden wie Dackelohren zu behandeln. Irgendwie mochte ich der Gefährtin da nicht so ganz folgen.
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