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Gnadenfrist für Kita-Kinder

Kita-Träger geben Widerstand gegen Gutscheinsystem auf und stimmen Bewilligungskriterien zu. Kleine Zugeständnisse der Behörde: Kinder von Arbeitslosen bekommen Mini-Schonfrist von vier Monaten, Abbau von Plätzen wird technisch geregelt

von KAIJA KUTTER

Nach monatelangem Zögern haben die Kita-Verbände nun doch die „Vereinbarung“ zum Kita-Gutscheinsystem unterschrieben. Damit geben sie ihren Widerstand gegen die umstrittene Reform auf. Im Gegenzug machte Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) fünf Zugeständnisse, die das finanzielle Überleben der Träger erleichtern sollen. „Mehr war letztendlich nicht zu erreichen“, sagt Caritas-Geschäftsführer Norbert Keßler.

Konkret haben die Träger erreicht, dass Kinder von Arbeitslosen nicht nach drei, sondern erst nach vier Monaten den Platz räumen müssen. Das gleiche gilt für Kinder, deren Eltern in Erziehungszeit gehen. Auch „kann“ Sprachförderung nicht erst zwölf, sondern schon 18 Monate vor Schulbeginn ein Kriterium für einen Kita-Platz sein. Zudem dürfen alle Kinder „auf Antrag“ nach der Einführung des neues Systems am 1. August noch vier Monate bleiben.

Doch letzteres Zugeständnis hat technische Gründe. Wie berichtet, verzögert sich die Bearbeitung der Gutscheinanträge bis in den Juni hinein. Viele Kinder werden dann runtergestuft. Die Träger müssen über diese Änderungen bis zum 15. Mai informiert sein, weil dann die Kündigungsfrist für Erzieher zum dritten Quartal endet. „Der Puffer war nötig, damit sich das entzerren kann“, erklärt Keßler. Zum Schutz vor Insolvenzen wurden den Trägern „Liquiditätshilfen“ in Form von Krediten und ein „Risikofonds“ von einer Million Euro zugesagt. Auch müssen sie keine Bauzuschüsse zurückzahlen, wenn eine Kita schließt.

„Noch mehr Unterstützung für die Eltern“, pries gestern die Bildungsbehörde die Vereinbarung an. „Ich bin sprachlos. Kinder und Familien haben in dieser Stadt keine Lobby“, sagt dagegen der FamilienPower-Vorsitzende Matthias Taube. „Der Rückbau von Plätzen ist geregelt, nicht aber der Ausbau“, kritisiert auch SPD-Politiker Thomas Böwer. „Eltern und Kinder haben durch die ausgehandelten Neuregelungen nichts gewonnen.“ Die Träger hätten sich bei der Behörde „die Taschen vollgemacht. Den Preis zahlen die Eltern.“

Außerdem liege das Ergebnis der Verhandlungen „weit hinter dem zurück“, was die Träger noch kürzlich in der bürgerschaftlichen Anhörung forderten. Damals hatten diese einstimmig angemahnt, das Kriterium „dringender sozialer Bedarf“ weiter zu fassen. Böwer: „Hier wurde nichts erreicht.“

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