piwik no script img

Airport: Rückzieher vom Rückzieher

Entscheidung zur Flughafen-Privatisierung wurde erneut vertagt. In zwei Wochen sollen die Würfel für Schönefeld fallen. Sarrazin hält öffentliche Finanzierung für möglich

Das Verwirrspiel um die Flughafen-Privatisierung hält an. Eigentlich hatten die Flughafengesellschafter Berlin, Brandenburg und der Bund für gestern geplant, offiziell die Vergabeverhandlungen mit den privaten Investoren um Hochtief und IVG für gescheitert zu erklären.

Doch schon am Donnerstag kam der Rückzieher vom Rückzieher, den der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit gestern noch einmal bestätigte. Eine Privatisierung der gemeinsamen Flughafen-Holding sei weiterhin nicht ausgeschlossen, so Wowereit. Damit könnte ein privat finanzierter Ausbau des Flughafen Schönefeld zum Single Airport der Region wieder eine Option sein, obwohl die entsprechenden Verhandlungen bereits vor zwei Wochen faktisch gescheitert waren.

Die endgültige Entscheidung über die Privatisierung ist nun noch einmal um 14 Tage verschoben worden. Dafür könnte es zwei Gründe geben: entweder die Investoren haben ihr Angebot nachgebessert, oder die Situation ist vergaberechtlich so schwierig, dass die Flughafenplaner mehr Zeit für die Ausarbeitung einer Ablehnung benötigen. Andernfalls drohen enorme Schadenersatzforderungen.

Für letztere Variante spricht die gestrige Äußerung des Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin (SPD). Schadenersatzforderungen seien nicht auszuschließen, so Sarrazin. Deshalb benötigten die Gesellschafter jetzt noch mehr Zeit, um mit den Rechtsberatern die Sachverhalte sorgfältig abzuwägen.

Sarrazin machte zudem deutlich, dass die öffentliche Hand den Flughafen trotz der schwierigen Finanzlage der Hauptstadt allein bauen werde. „Denn klar ist, dass der Flughafen gebaut werden muss. Wenn wir es müssen, dann packen wir es.“ Auf Berlin würden rund 240 Millionen Euro an Baukosten entfallen. Dafür müssten die Investitionen umgeschichtet werden, die jährlich 1,8 Milliarden Euro betragen. Die BVG sei nicht betroffen. Nach Sarrazins Berechnungen müssten alle drei Gesellschafter rund 650 Millionen Euro an Eigenmitteln dür die Gesamt-Bausumme von 1,7 Milliarden Euro aufbringen. Der Rest werde von der Flughafenholding über Einnahmen aus dem Flughafenbetrieb, EU-Fördermitteln und Darlehen finanziert.

Nach den bisherigen Planungen soll der ausgebaute Flughafen Schönefeld spätestens im Jahr 2009 in Betrieb gehen und die Flughäfen Tegel und Tempelhof ersetzen.

Der Grund: unter dem innerstädtischen Flugverkehr leiden nicht nur mehr Menschen, als es am Stadtrand der Fall wäre. Der Flughafen Tegel ist auch an den Rand seiner Kapazität gelangt. Zudem verhindert das zersplittete Berliner Flughafensystem, das aus Mauerzeiten stammt, die Generierung von Umsteige-Verbindungen.

Die Wirtschaft fordert schnelle Entscheidungen. Im Wettbewerb um Ansiedelungen werde Berlin nur gewinnen, wenn die Flughafenentscheidung „schnell und eindeutig erfolgt“, so Coca-Cola-Vorstand Franz Rottländer. Der Getränke-Konzern hatte kürzlich entschieden, seine Deutschlandzentrale von Essen an die Spree zu verlegen.

Der Staatssekretär von PDS-Wirtschaftssenator Harald Wolf, Volkmar Strauch, pflichtet Rottländer bei. „Jeder ausländische Interessent und jeder zweite aus dem Inland fragt inzwischen nach dem Großflughafen Berlin Brandenburg.“ Zu lange habe es ein Kompetenzwirrwarr gegeben. RICHARD ROTHER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen