: Cool Kids Can‘t Wait
Trotz der amerikanischen Antiraucherbewegung wird in Hollywoodfilmen so viel geraucht wie lange nicht mehr. Aktivisten fordern deshalb, solche Filme nur noch für Erwachsene freizugeben
Wenn Jason Statham in „The Italian Job“ ein Anti-Raucher-Billboard passiert und seine Zigarette daraufhin aus dem Fenster schmeißt, dann hat auch Stanton Glantz allen Grund, tief durchzuatmen. Glantz ist Professor für Medizin an der University of California und Gründer der Initiative „Smoke Free Movies“, die die amerikanische Filmindustrie aufs Korn genommen hat.
Filme wie „The Italian Job“ sind heute eine Seltenheit; vielmehr war Gary F. Grays Remake in den vergangenen Monaten der überhaupt einzige Hollywoodfilm mit einer unmissverständlichen Antiraucherbotschaft. Viele Filme wie z. B. „Men in Black II“ promoten den Tabakkonsum und sogar bestimmte Marken heute in einem Maße, wie die amerikanische Tabakindustrie dies seit den späten Fünfzigerjahren nicht mehr erlebt hat.
Glantz und seine Mitarbeiter verfolgen diese Entwicklung mit wachsender Besorgnis. Seit dem Master Settle Agreement (MAS) zwischen Big Tobacco, wie die amerikanischen Tabaklobbyisten in Kritikerkreisen genannt werden, und 46 Einzelstaaten im Jahr 1998, das das Product Placement von Zigaretten in Kino und Fernsehen unterbinden sollte, ist die Zahl der so genannten smoke shots sogar noch einmal um 50 Prozent gestiegen. Seit 2001 hat sich ihr Löwenanteil zudem von Filmen mit „R“-Rating, das Minderjährigen den Kinobesuch nur in Begleitung Erwachsener empfiehlt, zu den jugendfreien Filmen mit „G“-, „PG“- und „PG 13“-Einstufungen verlagert. Im November trafen sich Vertreter eines Zusammenschlusses von 27 Staatsanwälten mit Jack Valenti, dem Präsidenten der Motion Picture Association of America (MPAA), um Maßnahmen für einen restriktiveren Umgang mit der Darstellung von Rauchern im Kino zu diskutieren.
Grund für diese jüngste Auseinandersetzung ist eine diesen Sommer veröffentlichte Studie, die erstmals eine Verbindung vom Tabakkonsum in Hollywoodfilmen und den Konsumgewohnheiten unter jugendlichen Kinogängern über einen längeren Zeitraum untersucht hat. Die Studie ergab, dass die Raucherquote junger Menschen, die sich häufig Filme angesehen hatten, in denen viel geraucht wurde, dreimal so hoch war wie bei solchen, die nur hin und wieder einer Zigarette im Film ausgesetzt waren. Die Initiative Smoke Free Movies veröffentlichte daraufhin eine Resolution, deren zentrale Forderung lautete, Filme, in denen übermäßig stark geraucht wird, mit einem „R“-Rating zu belegen – was für das Studio finanzielle Einbußen zur Folge hätte.
Natürlich hat der Streit um das leidige Thema „Rauchen im Kino“ einen Bart, und niemand möchte sich ernsthaft vorstellen, wie Humphrey Bogart wohl ohne eine Kippe im Mundwinkel ausgesehen hätte. Aber die Argumentation von Smoke Free Movies zielt auf eine weitestgehend totgeschwiegene Tatsache ab, die beiden Seiten bis heute beträchtliche Profite verschafft hat: den geheimen Abkommen zwischen Tabakindustrie und Hollywood, die fast so alt sind wie das Kino selbst. Glantz wirft der MPAA finanzielles Kalkül vor, wenn die sich seit Jahren vehement weigert, Tabakkonsum (neben Sex, Gewalt, Drogen und verbalen Unflätigkeiten) in die Kriterien für ein „R“-Rating aufzunehmen. Den Studios gehe der Profit schlicht über das Wohlergehen seiner Kunden.
Solche Töne finden im prozessfreudigen Amerika, wo Ethik gern mit dem Gesetzbuch – und Schadenersatzzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe – untermauert wird, natürlich Resonanz. Die Tatsache, dass Valenti und die Director’s Guild nach jahrelanger Verweigerung auf diplomatischen Kurs eingeschwenkt sind, zeigt letztlich, wie ernst sie die Lage derzeit bewerten.
Das alte Argument der künstlerischen Freiheit nämlich hat längst ausgedient. „Selbstzensur, um ein günstiges Rating zu erhalten, ist heute in Hollywood doch bereits gängige Praxis“, erklärt Glantz, „das also kann der wahre Grund nicht sein. Tatsache ist, dass Hollywood sich immer noch allzu leichtfertig den Interessen der Tabakindustrie andient.“
Glantz’ Initiative hat in den vergangenen Monaten in den amerikanischen Medien viel Aufmerksamkeit erhalten. Seit dem Brown-&-Williamson-Prozess, dem ersten großen Zivilprozess gegen einen Tabakkonzern (und Thema von Michael Manns Film „The Insider“), haben diese in der amerikanischen Gesellschaft mit ernsten Imageproblemen zu kämpfen.
Für Glantz wäre das „R“-Rating nur das nächste Stadium eines kollektiven Bewusstseinswandels. In spätestens einem Jahr, sagt er, werde Jack Valenti und die MPAA dem allgemeinen Druck nachgegeben haben. Bis dahin allerdings muss er sich mit „The Italian Job“ begnügen – auf dem Anti-Raucher-Billboard im Film tickert der Bodycount im Sekundentakt.
ANDREAS BUSCHE
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