: Hertha macht wieder Spaß
Kaum hat Hans Meyer das Kommando bei den abstiegsgefährdeten Hauptstadtkickern übernommen, wird dort auch schon gelacht. Doch der 61-Jährige hat nicht nur eine gute Portion Humor mitgebracht, sondern auch jede Menge Hoffnung
AUS BERLIN FRANK KETTERER
Die gute Laune hatte sich längst im kleinen Presseraum der Hertha ausgebreitet, als auch Dieter Hoeneß mutig daranging, sich in der Kunst des Witzelns zu versuchen. Ein Journalist hatte dem zuletzt nur noch ernst und müde dreinblickenden Manager von Hertha BSC Berlin die Vorlage dazu geliefert; ob Michael Preetz, seit kurzem eine Art Sportdirektor beim abstiegsgefährdeten Fußball-Bundesligisten, künftig näher an Hans Meyer, den neuen Trainer der Hauptstädter, heranrücken werde, wollte der Mann von der schreibenden Zunft da wissen. Zunächst schaute Hoeneß noch etwas verdutzt, dann aber ließ er dem neu gewonnenen Schalk in seinem Nacken freisten Lauf. „Bisher hat Hans Meyer in Bad Hersfeld gewohnt, ab sofort ist er in Berlin. Also ist Michael Preetz näher an Hans Meyer herangerückt.“ Zwar hielt sich das Amüsement über des Managers leicht rohrkrepierenden Kalauer bei der in knapper Hundertschaft angetretenen Journaille in Grenzen, immerhin eines bewies der Hoeneß’sche Humorversuch aber allemal: Bei Hertha wird wieder Spaß gemacht, bisweilen wird sogar gelacht.
Das ist durchaus nicht selbstverständlich für einen Verein, der zu Anfang der Saison in die Champions League stürmen wollte und nun, bei Halbzeit, auf Tabellenplatz 17 und somit mit einem Bein in Liga zwei steht. Erbärmliche 13 Punkte hat Hertha in 17 Vorrundenspielen gesammelt, noch erbärmlicheren Fußball geboten, dabei zwei Trainer – den stolzen, aber allzu verbissenen Holländer Huub Stevens sowie dessen farblosen Interimsnachfolger Andreas Thom – verschlissen. Kein Wunder, dass bei Hertha niemand mehr lachen wollte, die Journalisten inbegriffen. Seit Samstag ist zumindest das Vergangenheit. Seit Samstag ist Hans Meyer in Berlin. Die letzte Hoffnung. Der Retter.
Die Hoffnung trägt ein grünkariertes Hemd, darüber eine dunkelblaue Strickjacke, außerdem, so hat es die Berliner Zeitung beobachtet, ist sie recht groß gewachsen und durchaus wohlgenährt. Und es eilt ihr der Ruf voraus, gerne die ein oder andere Sottise zum besten zu geben, das vor allem und mit größtem Vergnügen. Auch bei seinem Trainingseinstand will Meyer, der sich, wie es heißt, in der Rolle des eigenwilligen Kauzes durchaus gefällt, die Journalisten nicht lange auf eine Kostprobe warten lassen. Nachdem Manager Hoeneß seine kleine Neujahrsansprache zum Ernst der Lage („Es geht darum, dass wir nicht absteigen. Nur darum geht es“) beendet hat, ergreift endlich der Thüringer das Wort. Meyer sagt: „Ich muss mich von einem Klischee lösen. Ich habe immer gedacht, dass Lehrer und Journalisten die meisten Urlaubstage haben. Dafür, dass heute erst der 3. Januar ist, sind schon erstaunlich viele von euch aus dem Urlaub zurück.“ Es ist das erste Mal, das an diesem Samstagmittag gelacht wird. Es soll nicht das letzte Mal sein.
Vielleicht ist es ja genau das, was Hertha in den letzten Wochen und Monaten gefehlt hat: Ein bisschen Witz, ein bisschen Lockerheit, die wohl von Nöten ist, um all die Blockaden in den Köpfen der Spieler zu lösen, die sich dort zu Mauern aufgebaut haben nach all den unerwarteten Niederlagen. Meyer, das Traineroriginal aus dem Osten der Republik, vor 61 Jahren geboren in Brandenburg, hat genau das mitgebracht in die Hauptstadt. Und er hat damit schon jetzt jede Menge Hoffnung geschürt und Zuversicht, dass die schlimme Geschichte doch noch gut enden könnte nach den restlichen 17 Spielen.
„Wir weden es schaffen“, sagt Meyer, was soll er auch anderes sagen. Viel wichtiger ist ohnehin, dass die Menschen in der Hauptstadt ihm das glauben und ihm vertrauen, nur das wird die trübe Weltuntergangsstimmung rund um Hertha ändern. Das heißt: Meyer hat sie schon geändert, und man kann das bei seinem ersten öffentlichen Training leicht sehen: Rund 1.000 Fans sind trotz klirrender Kälte zum Trainingsgelände beim Olympiastadion gekommen, so viele wie noch nie. Als Meyer um kurz nach drei aus der Kabine tritt, brandet ihm warmer Applaus entgegen, einer ruft: „Hans, bravo!“. Hans Meyer hat da noch gar nichts getan, außer dass er nach Berlin gekommen ist. Aber das reicht schon. Es gibt Hoffnung. Wenigstens das.
Dabei ist es nicht so, dass bei Hertha ab sofort nur noch gelacht werden wird, das bestimmt nicht. „Mein Ruf als knüppelharter Hans ist schon ein Riesenvorteil“, hat der 61-Jährige bereits bei seiner Verpflichtung kurz vor Weihnachten geunkt, bei Twente Enschede, wo er von 1996 bis 1999 erfolgreich wirkte, nannten sie den lustigen Herrn Meyer deshalb „den General“. Meyer hat den Ausdruck nie gemocht; in seiner nunmehr über dreißig Jahre währenden Trainerkarriere hat ihm seine hohe fußball-fachliche Kompetenz schließlich weitaus mehr gebracht als irgendwelcher Drill. So soll das nun auch bei Hertha sein.
Einen Plan, wie die Hauptstadt noch zu retten ist, hat sich der Thüringer längst zurechtgelegt. Im ab nächster Woche anstehenden Trainingslager auf Gran Canaria will er erst einmal die Namen der Spieler lernen („Mit 61 dauert das ein bisschen länger“), zudem jede Menge Gespräche führen und dabei auch „nachbohren, ob in letzter Zeit manche Dinge übertüncht worden sind“, wovon er prinzipiell auszugehen scheint.
Dass es mit „quatschen und reden“ nicht getan ist, weiß Meyer freilich schon auch; dass seine Spieler, „alles fantastische Jungs“ sind, „die wissen, um was es geht“, dessen ist er sich sicher. Ebenso wie der Tatsache, dass die Sache auf dem Platz dennoch manchmal ganz anders läuft als von den fantastischen Jungs geplant, weil: „Da ist der Gegner da, der etwas ganz anderes will.“ Am Klassenerhalt von Hertha soll das freilich nichts ändern. Dafür ist jetzt ja Hans Meyer da.
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