: Die Stones in den Farben der DDR
Pankow machten aufmüpfigen Rock ’n’ Roll statt gedrechselten Lyrikrock. In den Ostalgieshows kamen sie deshalb nicht vor. Jetzt sind sie für ein paar Konzerte wieder da. Trotz IM an der Gitarre
VON GUNNAR LEUE
Als hätte die Ostalgiewelle im letzten Sommer nicht genug Peinliches in die Öffentlichkeit gespült, kommt immer noch was nach. Zum Beispiel der Ex-Teenieschwarm Ralf „Bummi“ Bursi. Der drohte im Ostalgiefachorgan Super Illu an, er wolle es noch mal wissen. Und keiner kann ihn abhalten. Da muss selbst der hartnäckigste Ostler eingestehen: Die Bundesrepublik ist ein freies Land. Doch der angejahrte DDR-Kuschelpopper ist nicht der einzige Rückkehrer. Auch Pankow sind wieder vereint.
Pankow? Da horcht der Ossi über 30 auf und wundert sich. Vor allem weiß er nicht, ob er sich freuen oder jammern soll. Pankow, die beste und vielleicht einzige wirkliche Rock-’n’-Roll-Band in der DDR-Rockelite, wieder live erleben zu können, ist nicht die schlechteste Nachricht. Andererseits, hatte sie ihren Mythos nicht deshalb über die Wende gerettet, weil sie im Ostalgie-Zirkus nicht mittingelte? Selbst bei den grottigen Retroshows 2003 tauchten sie, ihrem guten Ruf zum Wohl, nicht auf. Und nun plötzlich doch?
Sänger André Herzberg, inzwischen 48, meint, in die Ostalgieshows hätten sie nicht hineingepasst. „Das war sicher ein gegenseitiges Aneinander-Vorbeischauen.“ Über den Grund für die überraschende und angeblich nur für eine Tournee verabredete Reunion sagt er, was in so einem Fall meistens gesagt wird: „In der letzten Zeit spürten wir immer öfter, dass viele Leute uns gern wieder zusammen spielen sehen wollten.“
Ob die Sehnsucht der Fans nach der Band letztlich das Comeback bewirkte oder ob es umgekehrt war – wohlwollende Aufmerksamkeit dürfte ihr besonders von denen gewiss sein, die mit dem braven, metaphernverzierten DDR-Rock Marke der Puhdys oder Karat überhaupt nichts am Hut hatten. Der klassische Ostrock sorgt momentan sogar im Westen für volle Konzerthallen – vor allem dank heimwehgeplagter Übergesiedelter vermutlich. Der Spiegel verstieg sich kürzlich zur Lobhudelei auf die Ostrock-Veteranen City und erklärte sie im Klischeerausch zu den „Rolling Stones der DDR“. Das sei City gegönnt und ist eigentlich wurst. Aus obigem Anlass ist aber doch zu klarzustellen, dass dieser Titel – wenn schon – allein Pankow gebührte. In mehrfacher Hinsicht.
Pankow war nie eine Undergroundband. Einmal schrieb sie eine Eingabe, weil sie nicht im Fernsehen auftreten dürfte. Dennoch genoss sie einen gepflegten Rebellenruf, weil sie den verspießerten DDR-Alltag unverklausuliert besang. Seit ihrer Gründung 1981 spielte sie Songs, die sich grundlegend von den poetisch aufgemotzten Rockliedern der meisten anderen Kapellen unterschieden – und ihre stilistische Nähe zur Stones-Musik nicht verleugneten.
Insbesondere Sänger André Herzberg, der den gängigen Ostrock „schon immer scheiße“ fand, war als abgedrehter Frontmann eine kleine Sensation in der von exaltierten Köpfen relativ freien DDR-Rockszene. Er sang rotzige Texte auf rotzigen Gitarrensound, zum Beispiel im Rockspektakel „Paule Panke“, das sich um den Alltag eines Lehrlings drehte. Er besang sexuelle Tagträume aus dem Leben Pubertierender („Inge Pawelczik“) oder die Gefühle eines jungen Mitläufers („Ich bin lieb“).
War das schon keine vorbildliche Lyrik im Sinne der staatlichen Rockmusikförderer, so geriet ihr Album „Aufruhr in den Augen“ 1988 zum legendären Soundtrack über das Vor-Wende-Stimmungsbild. „Dasselbe Land zu lange gesehn, dieselbe Sprache zu oft gehört, zu lange gewartet, zu lange gehofft, zu lange die alten Männer verehrt“, hieß es im Song „Langeweile“. Er brachte Sende- und Auftrittsverbote.
Trotzdem gehörten Pankow bis zum Ende der DDR zu den etablierten Bands im Lande, die auch in den Westen durften. Dass sie nicht nur anders sein wollten als die anderen, sondern auch waren, bewiesen sie am spektakulärsten, als sie in der Gorbi-Hochzeit mit der Big Band der Westgruppe der Sowjetischen Streitkräfte auf Tournee gingen.
Nach der Wende stieg der eigenwillige wie kompromisslose Sänger aus. Als Solist fand er genau wie Pankow fortan viel weniger Beachtung. Das lag auch daran, dass das kongeniale Duo André Herzberg/Jürgen Ehle zerbrochen war. Sänger und Gitarrist waren einander – ähnlich Jagger/Richards bei den Stones – in Hassliebe verbunden. 1997 erfuhr Herzberg aus seiner Stasiakte, dass Ehle als IM über die Band berichtet hatte. Um sie zu schützen, wie er sagte. Trotzdem war Herzberg für ein paar Konzerte zur Band zurückgekehrt. Mittlerweile glaubt er, dass der Hass aufeinander „auch ein Potenzial“ sei. „Sonst würden unsere Bühnenauftritte wahrscheinlich auch ganz langweilig sein.“
Heute spielen Pankow im Potsdamer Lindenpark (21 Uhr). Und wenn sie es bis dahin miteinander aushalten, am 22. Februar im Berliner BKA-Luftschloss
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