papierkrieg zum warmmachen von GERALD FRICKE:
„Dieser Papierkram, boah!“ Schorse schüttelte den Kopf. Damals Spielabbruch in der 91. Minute. Jetzt endlich das Endspiel. „Name, Vorname, Passnummer, Trikotfarbe, Aufstellung, Auswechselspieler, das ist doch Wahnsinn! Der blanke Wahnsinn!“ – „Yo, was soll man machen, is’ halt so“, versuchte Condi zu beruhigen. Das ging nach hinten los. „Schlimm, schlimm. Dieser Papierkrieg! Das macht den Fußball doch kaputt!“ – „Nun ja …“ – „Kaputt! Glaub mir, das macht den Fußball irgendwann noch mal kaputt!“ Eine geschlagene Viertelstunde kämpfte Schorse nun schon mit Kuli und Spielbogen. Noch 27 Minuten bis zum Anpfiff.
Es klopft, Schiri Hans erscheint in der Kabine. „Habt ihr keine Fähnchen für meine Jungs?“ Die Linienrichter sind damit gemeint. „Puha, Fähnchen …?“ – „Soll ich die jetzt selber suchen, oder was!“ Die Lage ist explosiv. Überhaupt: Wo ist der rote Winterball, warum ist das Tornetz nicht geflickt, der Platz nicht akkurat schneegeschippt?
Platzwart und Vereinswirt sind nicht zu erreichen. Ist der Platz gesperrt, fällt das Spiel aus? Heute mit Schraubstollen oder besser ohne? Der nationale Mannschaftsrat ist gespalten. Die Kakophonie der Stimmen – „Knallhart der Boden!“, „Aber wo die Sonne rauskommt, hatse Kraft!“ – wird schließlich mit einem beherzten „Gegen die Hunnen? Schraubstollen, und gut is’!“ von Käpt‘n Schorse beendet.
Noch 13 Minuten. Los, raus, warm machen! Auf einmal tauchen überall lange Unterhosen, oder, noch schlimmer, rote Strumpfhosen auf. Dazu grüne Handschuhe und lila Mützen. Ja, ist denn heute Friedenskarneval? „Sach mal, Colin, das mit der lila Mütze ist doch wohl nicht dein Ernst“, ereifert sich Schorse. „Tüllich, meinste ich hab Bock auf ne Kopfgrippe!“ – „Mann, Mann, Mann …“ Schorse widmet sich wieder dem Ausfüllen. Millimeter für Millimeter schraubt sich der Kuli durch die unwirtliche Tundra des Spielberichtbogens. „Donald, wie ist deine Rückennummer?“ – „Fünfzehn“ – „Wir ham doch nur vierzehn … Mann! Gleich explodier’ ich!“ Dick mischt sich ein. „Wo is’n die XXL-Hose? Und wer hat ’ne Wertsachentüte?“ Schorse platzt der Kragen. Er kippt seine fünf Pötten aus einer ramponierten Plastiktüte, pfeffert den Papierkram gegen die Kabinentür und fuchtelt böse mit der leeren Tüte: „So. Jetzt haben wir eine gottverdammte Wertsachentüte!!!“. Noch sieben Minuten. „Hat einer vielleicht noch Tausendfüßler mit, in 42?“, irritiert irgendjemand abermals die Runde.
Der Schiri schlappt erneut herein, im Schlepptau seine fröstelnden Inspektor-Boys. Sie tragen kurze Hosen und kurze Arme. „Wenn ich hier keine Fähnchen für meine Jungs kriege, pfeife ich nicht an!“ Erregte Diskussionen über Handy mit Fußball-Abteilungsleiter, DFB-Ligaausschuss und Gerichtshof. Das Kreisliga-Recht sieht wohl vor, dass die Liga die Fähnchen stellen muss, der Verein aber ebenfalls welche … blabla. Egal. Der Schiri schickt die Jungs zu seinem Kofferraum, Fähnchen holen. Sie verschellen.
Noch eine Minute. Hurra, jetzt aber raus: Wir sind heiß!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen