Silvio bedient sich bei McDonald‘s

Zwei Präsidenten des italienischen Staatsfernsehens RAI mussten ihren Hut nehmen, obwohl sie den Weisungen Berlusconis folgten – der profitiert davon in jeder Hinsicht

Nun soll der Italien-Chef einer Fastfood-Kette neuer RAI-Präsident werden

ROM taz ■ Überstürzt war der Rücktritt des RAI-Präsidenten Antonio Baldassarre und seines letzten im Verwaltungsrat verbliebenen Kollegen Ettore Albertoni ganz gewiss nicht. Bis zur letzten Minute harrten die beiden am Mittwochnachmittag aus, bis zum Zusammentreten des Parlamentsausschusses zur Überwachung der RAI, der auf seiner Tagesordnung ein Misstrauensvotum gegen die beiden Herren hatte. Eine Mehrheit von Vertretern der Opposition wie auch zahlreiche Parlamentarier aus dem Regierungslager waren gewillt, für die Abberufung zu stimmen. Da gingen dann Baldassarre und Albertoni, obwohl sie sich eigentlich nichts vorzuwerfen haben.

Denn die exakt vor einem Jahr Berufenen mögen zwar die RAI heruntergewirtschaftet haben – aber sie handelten dabei immer im Sinne ihrer politischen Auftraggeber. Im April nutzte Silvio Berlusconi eine Pressekonferenz, um mit Michele Santoro und Enzo Biagi zwei ebenso prominente wie ihm ungenehme Journalisten auf die Abschussliste zu setzen; „in krimineller Manier“ hätten sie das TV gegen ihn genutzt, so Berlusconi. Dieser Gleichschaltungsauftrag wurde von Baldassarre prompt erfüllt. Statt Michele Santoros frechem Politikmagazin gibt es nun eine Nachfolgesendung, die vom ehemaligen Vizechef der Berlusconi-Zeitung Il Giornale moderiert wird. Zum Auftakt im November war das Europäische Sozialforum Thema, und die Zuschauer bekamen kambodschanische Leichenberge zu sehen; die Botschaft: Hinter den Globalisierungsgegnern steckt Pol Pot. So was wollen nicht mal die stramm rechten Zuschauer sehen, die Sendung hat 7 Prozent Einschaltquote. Kein Problem für Berlusconi: Die Nachrichtensendungen der Berlusconi-RAI berieseln die Zuschauer mit Sex and Crime statt mit Renten- und Arbeitsmarktreform.

Doch die neuen Herren der RAI trieben es so toll, dass nicht nur den beiden Oppositionsvertretern im Verwaltungsrat, sondern auch dem dritten Mann aus dem Regierungslager – einem Christdemokraten – die Hutschnur platzte; alle drei traten schon im November zurück, Baldassarre und Albertoni blieben. Zwei Entscheidungen im Sinne ihrer politischen Patrone Berlusconi und Umberto Bossi von der Lega Nord aber brachen ihnen jetzt den Hals. Erst versagte die RAI die – bisher in Italien bei Großereignissen übliche – Direktübertragung der Friedensdemo am 15. Februar, weil sonst das Parlament unter Druck gesetzt werde; eine Begründung, die den Parlamentspräsidenten auf die Palme brachte. Und dann beschloss der Verwaltungsrat noch die Verlegung des zweiten Programms der RAI nach Mailand. Ganz im Sinne der Nord-Populisten von der Lega, die aus RAI 2 am liebsten eine keltische Folklorewelle machen wollen – aber es geht den nationalistischen Postfaschisten gegen den Strich, die jetzt Baldassarre ebenfalls ihr Vertrauen entzogen.

Jetzt steht die Nominierung einer neuen RAI-Spitze an. Berlusconi sähe gern den McDonald‘s-Italien-Chef auf dem Stuhl; der Mann sitzt schon im Vorstand des Berlusconi-Verlags Mondadori. Passenderweise wurde sein Name am Dienstagabend in einer Talkshow des Berlusconi-Senders Canale 5 ins Spiel gebracht. Der RAI dürfte eine solche Führung kaum gut tun, wohl aber ihrem direkten Konkurrenten, der Berlusconi-Holding Mediaset: Deren Börsenkurs kletterte gleich um 2,6 Prozent. MICHAEL BRAUN