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Gorleben war ein Fehler

Bei der Suche nach einem Endlager wurde viel falsch gemacht, da sind sich die Teilnehmer des Berliner Symposiums einig

AUS BERLIN KAI SCHÖNEBERG

Sigmar Gabriel will mehr als nur ein Pferd ins Rennen schicken. „Wenn sich das Pferd das Bein bricht oder, wie in unserem Fall, vom Oberverwaltungsgericht erschossen wird, steht man mit nackten Händen da“, sagt der Bundesumweltminister. Sich nicht nur auf Gorleben konzentrieren, das ist die Botschaft des SPD-Politikers für die 350 Teilnehmer des mit Atomkritikern und -befürwortern besetzten Endlager-Symposiums, das seit Donnerstag in Berlin tagt. Sonst stehe die Bundesrepublik 2035, wenn 24.000 Kubikmeter hochradioaktiver Müll in der Erde versenkt werden sollen, ohne Lagerstätte da und mache sich „international erpressbar“.

Pferde, Rennen, Erschießungen – blumige Vergleiche, um der Union eine Woche vor dem Castor-Transport ins Zwischenlager nach Gorleben die Schuld für das Scheitern bei der Endlagersuche in die Schuhe zu schieben. Eigentlich hatte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag ja versprochen, die Frage noch in dieser Legislaturperiode zu lösen. Daraus wird nun nichts.

Bayern und Baden-Württemberg weigern sich bislang, eigene Standorte gemeinsam mit Gorleben ins Endlager-Rennen zu schicken. CDU, CSU und FDP plädieren dafür, die 2000 gestoppte Erkundung des Salzstocks in Gorleben „ergebnisoffen“ zu Ende zu führen. 1,4 Milliarden Euro hat das bislang gekostet – doch bisher habe noch nichts gegen Gorleben gesprochen, „und wir hatten vor Ort immer Akzeptanz“, sagt Walter Hohlefelder auf der Endlager-Tagung – und wird von Buhrufen unterbrochen. Der Mann ist Präsident des Atomforums, finanziert von der Energiewirtschaft. Hohlefelder hat es schwer gegen die mehrheitlich atomkritischen Symposiums-Teilnehmer.

„Sicherheitsanalysen werden zu häufig durch Glaubensbekenntnisse ersetzt“, erklärt Wolfram König vom Gabriel unterstellten Bundesamt für Strahlenschutz und wirbt damit für eine ideologiefreie Suche. „Die Erfahrung, dass sich die erwarteten Sicherheiten nicht eingestellt haben, zeigen Morsleben und Asse“, sagt König mit Blick auf die Pannen in den einstigen Versuchsendlagern. Vertrauen sei hier zerstört worden.

Immerhin, und das werten viele als eigentlichen Erfolg der auf Wunsch der Atomkraftgegner im Wendland zustande gekommenen Veranstaltung, reden die Kontrahenten wieder miteinander. „Überfällig, dass das Thema wieder auf nationaler Ebene diskutiert wird“, sagt Rebecca Harms, Grünen-Fraktionsvizin im Europaparlament. Wie es weitergeht mit Endlagern und mit dem Atomkonsens, droht Gabriel, werde bei jeder Bundestagswahl neu entschieden.

„Augen zu und durch – das ist vorbei“, sagt Michael Sailer vom Öko-Institut und meint damit, dass bereits bei der Auswahl Gorlebens in den 70er-Jahren ein Riesenfehler gemacht worden sei. Das ist hier übrigens fast Konsens. Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) drückte das Projekt eines nationalen Entsorgungsparks, das damals Investitionen bis zu 12 Milliarden Mark für das Land verhieß, gegen den Willen von Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) durch, erzählt der Kölner Historiker Anselm Tiggemann. Während Schmidt Angst hatte, dass der Ostblock versuchen könnte, sich den Atommüll über die nahe Grenze hinweg zu beschaffen, wollte Albrecht ein Endlager im kaum besiedelten Wendland, „um die Ostzonalen mal so richtig zu ärgern“.

Transparenz, Öffentlichkeitsbeteiligung, Bürgernähe – das sind die großen Schlagworte bei den Vorträgen der Wissenschaftler aus Ländern, die bei der Endlagersuche weiter sind als Deutschland. Von einem „ganzheitlichen Ansatz“ spricht Gordon MacKerron von der Universität Sussex für Großbritannien. Dass beim Schweizer Verfahren Auswirkungen auf Tourismus, Landpreise und Image einer Region mit einbezogen werden, erklärt Hans Wanner von der eidgenössischen Atombehörde.

„Vielleicht braucht man wirklich zwei, drei oder vier Standorte“, gesteht Martin Bäumer, Umweltexperte der CDU-Fraktion in Niedersachsen, angesichts der Betonopposition vieler Gorleben-Kritiker ein. „Aber“, so Bäumer, „dann müssten die Gegner auch akzeptieren, dass Gorleben in den Vergleich mit einbezogen wird.“ Da würde die Grüne Rebecca Harms, die aus dem Wendland kommt, sogar mitziehen: Sie will, dass weitere Standorte verglichen werden. Aber: So lange müsse der Erkundungsstopp in Gorleben bleiben.

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