: Die neuen Paschas
Es ist tragisch: Eigentlich wollen die „neuen Männer“ die Kinder großziehen, aber leider verhindern das die Umstände. Eine Erwiderung auf die „Männerforscher“ Volz und Döge
Paschaverhalten zu Hause? Null Bock auf Bügeln? Nur zwei Prozent Väter unter den Erwerbstätigen in Elternzeit? Frauen, hört doch endlich auf, über die Männer zu jammern; denn in Wirklichkeit sind sie gar nicht so, wie die traurigen Statistiken über die Verteilung von Haus- und Familienarbeit vermuten lassen: Im Grunde sehnen sie sich danach, „aktive Väter“ sein zu dürfen, ihre Fürsorge-Kompetenzen in Haushalt und Familie auszuleben. Sagen zumindest die „neuen Männer“ von sich selbst, unterstützt von einer publizistisch-wissenschaftlichen Offensive der „Männerforscher“, wie sie jüngst auch in der taz die Sozialwissenschaftler Peter Döge und Rainer Volz starteten.
Und tatsächlich: „Der aktive Vater ist bereits Trend. Fast 40 Prozent der deutschen Männer sind nach den Ergebnissen der letzten großen Männerstudie an einer aktiven Vaterschaft interessiert“ (Volz/Döge). Tatsache ist aber auch: Frauen machen immer noch rund 90 Prozent der klassischen Haus- und Familienarbeiten und schultern damit zwei Drittel der gesamtgesellschaftlichen Arbeit.
Was hindert die „neuen Männer“, ihr „Interesse“ aktiv umzusetzen? Nun ja, die „Vorurteile“, das heißt die traditionellen Männerbilder in den Köpfen der anderen 60 Prozent Männer, die die Vorgesetzten und Kollegen der neuen Männer sind. Und die Vorurteile in den Köpfen der Frauen, die die Kolleginnen und Partnerinnen der neuen Männer sind! Denn, frau höre und staune, wir Frauen selber leisten einen nicht gerade geringen Beitrag, dass auch neue Männer sich wie alte verhalten!
Volz, Döge und andere Männerforscher haben nämlich entdeckt, dass die Geschlechterbilder in den Köpfen der Frauen mindestens so nach 19. Jahrhundert müffeln wie die der Männer. Die Einstellung von Frauen gegenüber dem „neuen Mann“ ist demnach, gelinde gesagt, ambivalent; einerseits findet frau ihn „sympathisch“, andererseits traut sie ihm die Rolle des aktiven Vaters, beispielsweise, nicht recht zu oder empfindet das „aktive Bevatern“ sogar als „unmännlich“. Was ja offensichtlich etwas ganz besonders Schlimmes ist. Polemisch könnte frau aber auch fragen: Seit wann interessiert es Männer, was Frauen denken?
Dass an der Aufrechterhaltung auch unbefriedigender Zweier-Kisten immer beide basteln, wissen wir spätestens seit Hegels Dialektik von Herr und Knecht. Nur leidet einer meist mehr darunter als der andere. Auch dass wir alle, in unterschiedlichem Ausmaß, ständig mit „Doing gender“ beschäftigt sind, also mit der Herstellung und gegenseitigen Bestätigung unserer Geschlechtsidentitäten, ist nicht gerade eine neue Erkenntnis. „Doing Gender“ sieht aber je nach Schichtzugehörigkeit und in unterschiedlichen Milieus sehr unterschiedlich aus. Mag sein, dass Frauen mit unbefriedigenden, schlecht bezahlten Berufen in der Hausarbeit eine Chance sehen und als Hausfrauen einem engagierten Mitmischen ihrer Partner in Küche und Kinderzimmer misstrauisch begegnen. Eher unwahrscheinlich, dass die „neuen Männer“, die überwiegend akademischen Schichten angehören, ausgerechnet mit solchen Partnerinnen zusammen sind oder generell mit Frauen, die traditionellen Vorstellungen von „Männlichkeit“ anhängen.
Was also hindert den neuen Mann wirklich, sein Interesse an Haus- und Familienarbeit umzusetzen? Das Problem des Neuen Mannes ist doch weniger die Angst davor, was Frauen über ihn denken könnten, als die Angst davor, was andere Männer über ihn denken könnten. Die Kumpel und Kollegen, aber natürlich auch der Chef, vielleicht sogar die Chefin, die es wirklich nicht mögen, wenn der aufstrebende junge Mitarbeiter nicht nur mit der Firma verheiratet ist. Und spätestens jetzt fühlt sich unser Neuer Mann wieder auf sicherem Terrain, nämlich dem der Sachzwänge: Immer höhere Leistungsansprüche und längere Arbeitstage machen so manchen Job unvereinbar mit gelebter Partnerschaft oder gar mit Elternschaft. Das ist so – in Teilen der Erwerbswelt. Wenn man ehrgeizig ist, karriereorientiert und konkurrent. Es muss nicht so sein. In einem Reportageband über „neue Väter“ habe ich Paare interviewt, in denen Männer aktiv ihre Vaterschaft wahrnahmen, ohne gleich zum Hausmann zu mutieren. Es waren allerdings durchweg Männer, die beruflich zurückgesteckt oder sich verändert hatten:
Aus dem stark beschäftigten Rechtsanwalt wurde ein Fachhochschul-Dozent, der seine Vorlesungen und Seminare zu Hause vorbereitete. Aus dem überarbeiteten Krankenhausarzt wurde ein Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, der mittags für ein, zwei Stunden nach den Kindern sah, wenn sie aus der Schule kamen. Als der Verkehrstechniker Vater wurde, teilte er sich mit seiner in derselben Verwaltung beschäftigten Frau eine Stelle und kümmerte sich die halbe Woche um den Sohn.
In einigen dieser Fälle passierte das nicht ganz freiwillig: Berufliche Umstände und/oder der mit sehr viel Rückgrat durchgehaltene Wunsch der Partnerin, im Beruf zu bleiben, gaben den Ausschlag, dass die Männer sich stärker der Familie zuwandten. Der Preis dafür schien einigen der Interviewten sehr hoch: Es hieß Abschied nehmen vom Karriereziel „Chefarzt“; der Fachhochschul-Prof. wollte kein zweites Kind; und der Teilzeit-Techniker war froh, als er endlich wieder Vollzeit arbeiten durfte, denn irgendwie waren die interessanteren Projekte nie bei ihm gelandet.
Die zwingende Teilung der „Elternzeit“, mehr Teilzeitplätze für Männer, strikte Individualbesteuerung auch von Ehepaaren, flächendeckende Kinderbetreuung mit qualifizierten pädagogischen Angeboten, bessere Bezahlung der „typischen Frauenberufe“ – alle diese Rahmenbedingungen für eine gerechtere Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern existieren in Deutschland nicht. Und ich glaube, dass das der großen Mehrheit der Männer durchaus recht ist. So können sich auch die „neuen“ Väter auf die alten „Sachzwänge“ berufen: Der Sog, sich beruflich voll zu verausgaben, ist bei jungen Vätern besonders ausgeprägt. Es passt ja auch wieder alles so wunderbar zusammen: Sie verdienen sowieso mehr als ihre Frauen, wegen des Familienzuwachses brauchen sie dringend die Beförderung – und die Wartezeit für einen Krippenplatz beträgt zwei Jahre. Natürlich bedauern die Väter das selbst am allermeisten – die neuen Männer als Opfer der Verhältnisse. Ich glaube, sie sind eher Nutznießer:
Die gesellschaftliche Anerkennung für den tüchtigen „Familienernährer“ ist nicht nur in konservativen Kreisen groß. Über Geld verfügen macht auch Spaß. Und auch beruflich stark belastete Männer haben immer noch mehr Freizeit als Frauen. Nicht die Vorurteile in den Köpfen der Frauen hindern die „neuen“ Männer an der Entfaltung von Fürsorgekompetenz und aktiver Vaterschaft, sondern die Privilegien, mit denen die patriarchale Gesellschaft altes Verhalten auch von neuen Männern belohnt.
CLAUDIA PINL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen