Der schweigsame Plauderer von der Alster

Freundlich, unauffällig und effektiv: Ernst Uhrlau steht an der Spitze der deutschen Geheimdienste

BERLIN taz ■ Seit nunmehr 30 Jahren ist das Hamburger Nachkriegskind Ernst Uhrlau mit den deutschen Sicherheitsapparaten eng verbunden. Dabei schien ihm dieser Weg gar nicht vorgezeichnet. Im Gegensatz zu vielen anderen Führungskräften im Sicherheitsbereich studiert der 1946 geborene Uhrlau zunächst Politikwissenschaft, Soziologie und Volkswirtschaft. Doch nach Abschluss seines Studiums wird Uhrlau 1974 Lehrer an der Hamburger Landespolizeischule.

Schon ein Jahr später beginnt sein steiler Aufstieg. Uhrlau wechselt in die Hamburger Innenbehörde. Von 1975 bis 1981 ist er dort Büroleiter und Referent verschiedener Innensenatoren. Hier zeigt sich seine Begabung: Er ist loyaler Staatsdiener mit einem sicheren politischen Gespür, aber kein Hardliner. Die nächsten zehn Jahre verbringt er als stellvertretender Leiter des hanseatischen Landesamts für Verfassungsschutz. Unter seinem Chef Christian Lochte ist er dort für politischen Extremismus und Terrorismusabwehr zuständig. Lochte ist damals der mit Abstand intelligenteste unter den deutschen Geheimdienstlern: ein Fachmann für klandestine Informationsbeschaffung und geschickt platzierte Informationsarbeit gleichzeitig – und ein „begeisterter Anhänger“ der taz: „Wenn es die taz nicht gäbe“, so sagt er einmal, „müssten wir sie erfinden.“

Offenbar hat Uhrlau bei seinem damaligen Chef viel gelernt. Auch er pflegt eine Mischung aus gezielter Öffentlichkeitsarbeit und strikter Geheimhaltung. Wer jemals mit Ernst Uhrlau ein Gespräch geführt hat, der weiß, dass der heutige Geheimdienstkoordinator nur das sagt, was ohnehin nicht zu dementieren ist – und dies in kryptischer Form, aber stets im freundlichen Plauderton.

Nach der Wende holt man den Hanseaten 1991 nach Potsdam, um den brandenburgischen Verfassungsschutz aufzubauen. Nach einem Zwischenspiel als Amtsleiter in Kiel kehrt er wenig später an die Alster zurück, um den verstorbenen Christian Lochte zu beerben. Den dortigen Verfassungsschutz führt Uhrlau bis 1996. Nachdem bekannt wird, dass Hamburger Polizisten Ausländer misshandelt haben, wird die Hansestadt von ihrem bisher schwersten Polizeiskandal gebeutelt. Nun braucht man einen Mann, der es richtet. Uhrlau wird Polizeipräsident – obwohl er auch als nächster Präsident des Bundesnachrichtendienstes gehandelt wird.

Doch der Zwischenschritt macht sich bezahlt. 1998 holt der Kanzler das SPD-Mitglied als Geheimdienstkoordinator nach Berlin. Seither steht der Mann ohne Berührungsängste an der Spitze der deutschen Schattenkrieger. Um an Informationen über Ussama Bin Ladens Terrornetz zu kommen, müssten Geheimdienste von Staaten, die „auf oder dicht neben der Achse des Bösen“ lägen, heute „mit Fingerspitzengefühl“ behandelt werden, hat Uhrlau erklärt. Er hat sich auf den Weg gemacht. Unauffällig, effektiv und schweigsam, solange dies opportun ist. OTTO DIEDERICHS