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So einfach wie nie

Nach so manchen Irrungen und Wirrungen scheint Patty Schnyder sich wieder auf ihr Tennis zu konzentrieren

MELBOURNE taz ■ Die Gelegenheit ist günstig, und sie war noch nie so groß. „Du kannst es fühlen“, sagt Patty Schnyder (25), „dass irgendwas einfacher ist.“ Wäre alles normal gelaufen, müsste sie morgen im Viertelfinale der Australian Open gegen Venus Williams spielen, aber die ist am Wochenende nur noch beim Schuhkauf in Melbourne gesichtet worden. Lisa Raymond, 30 Jahre alt und Nummer 30 der Weltrangliste, wird Schnyders Gegnerin sein, und angesichts dieser Konstellation müsste man schon beide Hände vor die Augen halten, um darin nicht ein besonderes Angebot zu sehen.

In ihrer erfolgreichsten Zeit, vor fünf, sechs Jahren, gehörte die Schweizerin zu den Top Ten, aber auf das ganz große Ergebnis wartete man vergeblich. Zweimal Viertelfinale 1998 bei einem Grand-Slam-Turnier, in Paris und in New York – dabei bleibt es. In den Geschichten, die in den Jahren danach über sie geschrieben werden, geht es weniger um Sport, als vielmehr um die Irrungen und Wirrungen des menschlichen Lebens. Da ist zuerst die gefährliche Beziehung zu einem gerichtsbekannten Deutschen namens Rainer Harnecker, der sie eine Weile trainiert und dabei vieles zerstört hat, was in den Jahren zuvor aufgebaut wurde. Dann der Bruch mit den Eltern, die sie als „Taliban“ bezeichnet, schließlich die Beziehung zu jenem Mann, den sie 1999 im Kreise von Harneckers ehemaligen Patienten in München trifft, der Hesse Rainer Hofmann.

Zunächst folgt Hofmann Patty Schnyder als Leibwächter, relativ bald wird aus dem Auftrag Sympathie und die beiden finden zusammen mit dem Gefühl „wir gegen den Rest der Welt“. Mit den Schweizer Medien führt sie in dieser Zeit einen mehr oder minder bösen Kleinkrieg.

Schwer zu sagen, ob sie irgendwann das Gefühl hat, das Leben in dieser Sackgasse sei nicht besonders erstrebenswert, wie groß die Einsicht ist und wie dringlich der Wunsch nach einem kleinem Mehr an Harmonie. Jedenfalls wird mit dem Ende des vergangenen Jahres eine gewisse Form von Entspannung registriert. Am 5. Dezember heiraten Patty Schnyder und Rainer Hofmann (35) in Baden-Baden – ohne die Eltern der Braut. Im gleichen Monat gibt sie die Verpflichtung des Eurosport-Kommentators Jürgen Höthker als Medienberater bekannt, und kurz danach versucht sie mit der Schweizer Presse Frieden zu machen und lädt ein gutes Dutzend Journalisten zu einem vorweihnachtlichen Abendessen ein.

Eine Art der entente cordiale als Ausdruck der entspannteren Lebensform, verbunden mit neuer Zuversicht und soliderem Spiel. Obwohl sie sich beim ersten Turnier des Jahres an der australischen Goldküste den Fuß vertritt und es ein paar Tage fraglich ist, ob sie überhaupt in Melbourne spielen kann, sieht sie, wie sich dort nach zwei harten Begegnungen plötzlich eine Schneise auftut. Zuerst verliert aus ihrem Viertel des Tableaus die an Nummer acht gesetzte Japanerin Ai Sugiyama, in der Runde danach scheidet überraschend Venus Williams gegen Raymond aus, und Patty Schnyder sagt: „Ich weiß, dass da jetzt eine große Chance für mich ist.“

Sie nutzt die erste am Montag im Spiel gegen die Französin Nathalie Dechy (6:2, 6:4) und hat dabei nur am Ende Probleme, als sie merkt, wie ihr die Nervosität durch die Glieder kriecht. Aber das, so findet sei, sei doch ganz normal, „wenn man das ganze Jahr um so eine Chance kämpft“. Der Partie gegen Lisa Raymond sieht sie mit Zuversicht entgegen; was Wunder bei einer Bilanz von vier Siegen in vier Spielen.

DORIS HENKEL

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