: Arbeitslos gebildet
Hamburger Weiterbildungsträger stehen vor Entlassungen: Das Arbeitsamt schickt kaum noch Arbeitslose, denn Bildung wird kaum noch bezahlt
von SANDRA WILSDORF
Beschäftigte bei Weiterbildungsträgern könnten demnächst auf dem Arbeitsamt die Arbeitslosen treffen, die sie eben noch weitergebildet haben. In der Hamburger Weiterbildungsszene brodelt es. Insider befürchten, dass etliche Träger das Jahr nicht überleben. Denn das Arbeitsamt schickt kaum noch Arbeitslose. Wegen des Hartz-Konzeptes und weil Florian Gerster, Direktor der Bundesanstalt für Arbeit, ohne Steuergelder auskommen will, fehlen dem Weiterbildungssektor Milliarden.
Jeder Arbeitsberater hat ein bestimmtes Kontingent an Bildung, das er verteilen kann. Und das berechnet sich nach Teilnehmermonaten. Er kann also beispielsweise einem Arbeitslosen eine 18 Monate dauernde Umschulung oder 18 Arbeitslosen jeweils vierwöchige Kurse in Power-Point-Präsentation oder Wirtschaftsenglisch gewähren. Und um nicht schon Mitte des Jahres das ganze Kontingent aufgebraucht zu haben, sind die Berater zur Zeit noch knickrig mit den Bildungsgutscheinen.
Der Träger Biber-Team bietet zum Beispiel seit über zehn Jahren Umschulungen zum Gärtner an. Fast alle Teilnehmer fanden hinterher einen Job. Mit einem neuen Konzept ist die Umschulung flexibler geworden: Teilnehmer können einzelne Blöcke belegen und in die laufende Umschulung wechseln. Trotzdem: „Wir haben große Probleme“, sagt Geschäftsführer Bodo Baumann. Statt wie im vergangenen Jahr 22, sind zur Zeit nur noch 14 Teilnehmer in Fortbildung und Umschulung. Eine Gärtnermeisterin musste schon entlassen werden, der Sozialpädagoge hat von sich aus gekündigt, unklar ist, wie es weitergeht.
Auch bei der Rackow Schule wird man wohl demnächst über Kündigungen sprechen: „Wenn die jetzt laufenden Kurse zu Ende sind, wird es dramatisch runtergehen“, sagt Geschäftsleiterin Barbara Grundmann. Sie rechnet mir 60 bis 70 Prozent weniger Teilnehmern, „nach dem jetzigen Stand der Dinge sind Personalmaßnahmen nicht ausgeschlossen.“ Sie sagt voraus, „dass wir in ein bis zwei Jahren vor einer zerschlagenen Bildungsträger-Landschaft stehen“.
Dabei kann sich ein großer Träger noch eher auf die neuen Gegebenheiten einstellen. Die Rackow Schule hat deshalb ein „kaufmännisches Trainingszentrum“ eingerichtet, das Weiterbildung nach dem Baukastenprinzip anbietet. Auch bei der Stiftung Grone-Schule geht man davon aus, dass die Teilnehmerzahlen „selbstverständlich zurückgehen werden“, sagt Sprecherin Meta Märtens.
Weil das Arbeitsamt auch laufende Ausschreibungen zurückzieht, herrscht völlige Verunsicherung. „Wir wissen überhaupt nicht, wie es weitergehen soll“, sagt die Mitarbeiterin eines Trägers, die einst selber als „benachteiligt“ galt: „Die Benachteiligung bestand darin, Frau zu sein, Abitur zu haben und ein Handwerk lernen zu wollen.“
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