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drogenpolitikBerlin hat endlich Druck gemacht

Endlich, möchte man da sagen, ach was, ausrufen. Seit gestern gibt es in Berlin zwei Druckräume, in denen sich Schwerstdrogenabhängige unter hygienischen Bedingungen ihren Schuss setzen können. Eine längst überfällige Neuerung, die lange nicht ausreicht – und über die dennoch ein Jahrzehnt heftig debattiert werden musste. Mit ähnlicher Verve wird wohl nur noch in Bayern fortschrittliche Drogenpolitik gebremst.

KOMMENTAR VON ADRIENNE WOLTERSDORF

Dabei hat eine liberale Haltung gegenüber Drogen als sozialem Problem nicht unbedingt etwas mit dem Parteibuch zu tun. Im CDU-regierten Frankfurt am Main gibt es schon seit Beginn der 90er-Jahre städtische Druckräume. Der Gesundheitsverwaltung unter Senatorin Heidi Knake-Werner (PDS) gelang das Kunststück nur durch Beharrlichkeit. Die Bremser im Senat und im eigenen Hause konnten schließlich für diesen zaghaften Versuch gewonnen werden.

Natürlich ist mit zwei Druckräumen und einem Druck-Bus den rund 7.000 Berliner Heroinabhängigen bei weiten noch nicht ausreichend geholfen. Dennoch muss das Projekt gewürdigt werden: als positiver Schlusspunkt einer ideologisierten Debatte – und einem deutlichen Signal in Zeiten äußerst leerer Kassen. Wünschenswert wäre nun mehr Pragmatismus im Umgang mit dem Thema. Dazu gehören weiter gehende niederschwellige Angebote, ein offensiver Umgang mit erneut steigendem Drogenkonsum und eine Versachlichung der Hanfdebatte, insbesondere bei der Anwendung von Marihuana in der Therapie chronischer Krankheiten. Alles keine revolutionären Projekte, sondern Entwicklungen, die es in anderen Städten und Staaten längst gibt, und mit denen mehrheitlich gute Erfahrungen gemacht werden konnten. Mehr Druck, Berlin!

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