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h. g. holleinMeterware

Die Frau, mit der ich lebe, liest gern. Das ist ja nicht verkehrt. Nur dass sich im Verlauf der vergangenen beiden Jahrzehnte an die 60 laufende Meter entlang der Wände unseres 50-Quadratmeter-Nestchens aufgereiht haben. Mithin ist von den Wänden nicht mehr viel zu sehen . Da angesichts der durchschnittlichen Lebenserwartung in den kommenden 30 Jahren noch gut weitere 90 Meter ins Haus stehen und die Wände schwerlich noch wachsen werden, habe ich eine Dringlichkeitsrevision unserer Bestände angesetzt. Die führte sehr schnell zu der Frage, ob wir wirklich drei Bibeln brauchen, die Gnosis – das Buch der verlorenen Evangelien – , die Kabbala, einen Koran sowie diverse Ausgaben zur griechischen und römischen Götterwelt. Gut, man weiß ja nie, wer einen am Ende da oben – oder unten – erwartet, aber ein solcher Mix mutet denn doch arg opportunistisch an. Von den Marx- und Lenin-Schubern ganz zu schweigen. Mein Ansinnen, es könne doch zumindest das eine oder andere heilige Wort in den Schredder, trug mir den unschönen Vorwurf ein, ich sei ein banausischer Buch-Frevler. Auch mein Einwand, Gott sehe ins Herz und nicht ins Regal, und überhaupt habe sich sein literarischer Output auf zwei Steintafeln beschränkt, wollte nicht so recht verfangen. „Du sollst nicht lesen“ tauche nach Wissen der Gefährtin im mosaischen Kanon jedenfalls nicht auf. So weit ich weiß, hatte der alte Moses allerdings auch den ganzen Sinai als Stellplatz vor sich.

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