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Rund ums Klavier

Aufräumen, um die Leere zu überwinden: In Chantal Akermans „Demain, on déménage“ (Forum) sind die Kühlschränke leer, und Sex haben immer die anderen

Die Erinnerungen schmerzen. Der Geruch gebratener Hähnchen erinnert an den verstorbenen Mann. Der Tod, überhaupt jede Form von Verlust, ist ein wiederkehrendes Thema in Chantal Akermans neuem Film „Demain, on déménage“, doch es befindet sich in einem ständigen Spiel mit ganz unterschiedlichen Motiven wie Abwesenheit und Überpräsenz, Tanz und Musik, Sex und Liebe.

Der laute Sex in der Nachbarwohnung zum Beispiel erinnert Charlotte daran, dass sie selbst lange keinen mehr gehabt hat. Das ist nicht gerade hilfreich, wenn sie in ihrem Arbeitszimmer sitzt und einen pornografischen Dialog auszuarbeiten versucht. Oder auch Kühlschränke: Die sind in Akermans Film zwar permanent leer, das wird oft genug betont; aber man kann sie ja auffüllen. Leere aufzufüllen, darum geht es in „Demain, on déménage“ (neben vielen anderen Dingen), und die Möglichkeiten einer solchen Revitalisierung beschreibt der Film leichtfüßig wie ein guter Musical-Score.

Nach Akermans klaustrophobischer Proust-Adaption „Die Gefangene“ hinterlässt „Demain, on déménage“ einen fast befreienden Eindruck. Etwas jedoch hat sich nicht geändert: Das Leben ihrer Figuren spielt sich erneut in Wohnräumen ab, großen, lichtdurchfluteten diesmal. Nach dem Tod ihres Mannes zieht Catherine Wienstein bei ihrer Tochter Charlotte ein. Ihr Klavier, das zu Beginn des Films mit einem Kran in Charlottes Loft-Apartment gehievt wird, bildet bald den Lebensmittelpunkt verschiedenster Menschen.

Alle suchen nach einem Ort der Erfüllung, und wie Schlafwandler zieht es sie dabei immer wieder in Charlottes Wohnung. Die Wohnungssuche ist das zentrale Motiv, um das herum Akerman mit weiteren, untergeordneten Motiven spielt. Charlottes vollgemülltes Loft wird schließlich zum Sinnbild dieser Aufbruchsbewegung. Um die Leere zu überwinden, muss zunächst einmal aufgeräumt werden.

ANDREAS BUSCHE

Heute, 14.30 Uhr, International; Sonntag, 21.30 Uhr, Zoo Palast

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