: Der lange Lauf zum Feuer
Hamburg, einig Vaterstadt: Olympische Splitter zwischen Olympia-Uhr und Olympia-Professur, Bauplänen und Brötchen, Motto und Lotto, Konjunkturprogramm und Katzenjammer
von SVEN-MICHAEL VEIT
Seit genau 20 Monaten nun schon dauert der Olympia-Wahn in Hamburg an. Ab heute wird er sich ins Unermessliche steigern oder in den größten anzunehmenden Katzenjammer umschlagen – je nach Votum des nationalen Olympischen Komitees, das gegen 16.30 erwartet wird (live in der ARD und auf dem Rathausmarkt).
Am 14. August 2001 hatte die Handelskammer als erste ein Konzept für ein „Hanse-Olympia“ in Hamburg unter Einschluss norddeutscher Hansestädte vorgelegt. Eine Stunde später improvisierte der damalige Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) leicht genervt eine eigene Pressekonferenz um kundzutun, dass ihm diese Idee auch schon gekommen sei, er aber vergessen hätte, sie mitzuteilen. Es war ja schließlich Wahlkampf.
Das half zwar auch nichts mehr, aber immerhin durften Runde und sein rot-grüner Senat noch eine letzte olympische Amtshandlung vornehmen. Am 23. Oktober wurde die offizielle Bewerbung der Hansestadt für Olympia 2012 beschlossen, eine Woche später hieß der neue Boss im Rathaus Ole von Beust (CDU).
Und der war und ist selbstredend ebenfalls Feuer & Flamme. Schon im November wurde die „Hamburg für Spiele 2012 GmbH“ gegründet und am 25. April 2002 das Baukonzept für die City-Olympics südlich der Hafen-City präsentiert. Auch an skurrilen Einfällen herrscht kein Mangel: Zum April 2002 wurde eine „Olympia-Professur“ am Fachbereich Sportwissenschaft der Universität eingerichtet, zum 1. August folgte die dritte Stunde Sportunterricht an Hamburgs Schulen. Die Bäcker-Innung buk Olympia-Brötchen, den Hauptbahnhof ziert seit dem 27. Januar dieses Jahres das weltweit größte Olympia-Plakat und auf dem Rathausmarkt tickt eine Olympia-Uhr die Sekunden bis zur Entscheidung herunter.
Angesichts des „größten anzunehmenden Konjunkturprogramms“ wie die Handelskammer schwärmt, geriet das olympische Motto allerdings in den Hintergrund: Aus „Dabeisein ist alles“ wurde das Sieges-Lotto „The winner takes it all“.
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