REFERENDUM IN VENEZUELA: DIE OPPOSITION BIETET KEINE ALTERNATIVE: Der Populismus muss ertragen werden
Venezuelas Präsident Hugo Chávez weiß schon jetzt: Viele der 3,4 Millionen Unterschriften für ein Referendum zu seiner Absetzung sind gefälscht, und deswegen wird es dieses Referendum nicht geben. Das ist ein voreiliger Schluss. Dabei mag es sein, dass nicht alle Unterschriften echt sind, es mag sein, dass bei der Unterschriftensammlung eifrige Chávez-Gegner auch Tote und Minderjährige haben unterschreiben lassen. Bestimmt haben die oppositionellen Unterschriftensammler getrickst, gemogelt und gemauschelt. Nur: So sicher, wie er sich gibt, kann sich Hugo Chávez über den möglichen Betrug gar nicht sein. Die Wahlbehörde zählt und prüft die Unterschriften noch immer, und es ist kaum anzunehmen, dass die Regierung dabei schneller war.
Aber Chávez hat ein Ziel: Er will das Referendum über seine Zukunft verhindern. Das ist verständlich – er ist ordnungsgemäß gewählt, er hat nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet, es gibt also keinen der üblichen Gründe, ihn aus dem Amt zu drängen. Noch dazu war er es, der in der venezolanischen Verfassung die Möglichkeit zur Abwahl des Präsidenten nach Hälfte der Amtszeit erst geschaffen hat. Sein Vergehen: Er ist ein Großmaul und ein Populist, er spricht eine ungehobelte Sprache, wie sie in den Slumsiedlungen und Armenvierteln im Land gesprochen wird. Alles jedoch keine hinreichenden Gründe, ihn zu stürzen.
Vor allem: Seine Gegner sind keine politische Alternative für Venezuela. Die Opposition wird angeführt von der venezolanischen Oberschicht, die unter dem lauten und linken Chávez mehr um ihren Reichtum und ihre Privilegien fürchtet als um die Zukunft des Landes. Bevor Chávez im Jahr 1998 die Wahlen in Venezuela gewann, waren seine Gegner an der Macht und haben das Land heruntergewirtschaftet. Und seit sie in der Opposition sind, konnten sie eine Frage nicht beantworten: Wie kann es sein, dass in einem Land, das der fünftgrößte Erdölexporteur der Welt ist und dessen Erdölfirma in staatlicher Hand ist, 80 Prozent der Bevölkerung in Armut lebt? Erst diese Ungleichheit im Land hat einen wie Chávez möglich gemacht. Deswegen gibt es zu ihm momentan leider keine Alternative. INGO MALCHER
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