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Selbst-bewusste Zeichen setzen

Das Künstlerduo Elmgreen und Dragset macht in seinen Werken das Zufällige, das nicht Planbare sichtbar: Sein gerade erschienener Bildband „This Is the First Day of My Life“ ist der Versuch, sich einen Reim auf die Welt zu machen

VON JAN FEDDERSEN

Einst haben sie sich in einer Kopenhagener Homodisco kennen gelernt, verliebten sich und arbeiteten fortan zusammen. Beide, der Norweger Ingar Dragset wie auch der Däne Michael Elmgreen, sind durch keine Kunstschule gegangen, sie zählen zu keiner Richtung, sie sind für sich und leben inzwischen in Berlin.

eide, nun ein Künstlerpaar, ohne dass sie noch eine Liebesgemeinschaft wären, sind einem deutschen Kunstpublikum bekannt geworden. Sie hatten die Ausschreibung für das Denkmal zur Erinnerung an die unter dem Nationalsozialismus ermordeten Homosexuellen gewonnen. Mit einem grauen Kubus. Der steht inzwischen am Rande des Berliner Tiergartens, leicht versteckt hinter Gebüsch und Bäumen, jedenfalls gegenüber dem Holocauststelenfeld Peter Eisenmans. An dessen Stelen erinnert das Objekt Dragsets und Elmgreens sehr – und das sollte es auch. Beide gaben zu Protokoll, ihre Arbeit dürfe begriffen werden als eine Fortsetzung des monströs scheinenden Versuchs, an die Ermordung der europäischen Juden zu erinnern, aber eben flüchtig, zweihundert Meter versetzt, so wie das Verhältnis eben auch historisch gewesen sei.

Die Schwulen wurden verfolgt, aber man schämte sich ihrer nach 1945, im Grunde bis in heutige Tage, dass sie, die warmen Brüder, die Unmänner, auch noch Ansprüche an die Vergangenheitsbewältigungsszene stellten. Insofern war es natürlich kein Wunder, dass die beiden Künstler ihren grauen Block leicht schrägten. Das im Wortsinn Verrückte ist ihre Domäne; so erst werde das Zufällige, das Überraschende, das nicht Planbare überhaupt erst einem Blick zu sehen möglich.

Dragset und Elmgreen werden nun auch international zu den Zelebritäten der bildenden Kunst gezählt, sie werden vielleicht auch deshalb ernst genommen, weil ihren Arbeiten Pathos abgeht, weil sie das, was für schwul (nicht: homosexuell) gehalten wird, offen, spielerisch repräsentieren; ihre Installationen sind frei von verhuschten Anmutungen, von ätherischen Stilisierungen. Sie tragen das ihnen Selbstverständliche – und das geht vermutlich nur mit freisinnig geprägten Lebensläufen, wie sie in Skandinavien üblich sein können – nicht beschämt oder pseudosublimiert vor sich her. In dem exzellent zusammengestellten Bildband „This Is the First Day of My Life“ ist ihr Werk zu bestaunen. Darin: ein Kind, das vor der Vitrine einer Londoner Galerie steht, staunend einen toten Vogel mustert; die Prada-Boutique mitten in der texanischen Einöde, nicht begehbar, dortselbst, ohne Laufstegatmosphäre wie in einer satten Metropole, nur absurd, zugleich aber hübsch; oder die goldlackierte Fiberglasskulptur einer Serviererin, gezeigt in Miami.

In allen Arbeiten fehlt ein Moment des Hehren, und das ist reine Absicht. Im Bildband kommentiert Georges Perec, dass alle Utopien stimmten, weil sie keinen Raum für Zufälle, für Unterschiede und für Unpässlichkeiten böten. So kann man das unaufgeregte, zwingende Oeuvre der beiden Skandinavier lesen: als Versuch, sich auf die Welt, auf ihre Welt einen Reim zu machen und da und dort Statements zu hinterlassen. Sie wirken allesamt nicht appellativ, sondern cool und selbstbewusst. Etwa im Sinne von: Seht her, das sind unsere Zeichen, die wir uns ausgedacht haben – ob sie gefallen, muss jeder eigenem Erstaunen überlassen. Das Homomahnmal in Berlin funktioniert nach ebendiesem Credo: Nur wer mag, macht sich dort so seine Gedanken.

JAN FEDDERSEN, Jahrgang 1957, ist taz.mag-Redakteur & -Autor und lebt in Berlin Michael Elmgreen & Ingar Dragset: „This is the First Day of My Life“. Hatje Cantz Verlag, Stuttgart 2008, 320 Seiten, 49,80 Euro

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