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urdrüs wahre kolumneTotalausfall im Sperrholz-Paradies

Eigentlich gilt mein besonderes Mitgefühl solchen Menschen, die unter dem einem Namen wie Andrea Ypsilanti oder auch Danial Ilkhanipour in diesem Lande versuchen, sich einen Platz an der Sonne zu sichern. Wenn aber so ein Hamburger Jusofürst sich als Krampfgenosse des SPD-Rechtsaußen Johannes Kahrs an die Spitze putscht, dann sehen wir es doch mit Genugtuung, wenn er seine Plakate im Bundestagswahlkampf selber kleben und seine Hausbesuche ganz wie ein Staubsaugervertreter im Alleingang vornehmen muss. So etwas erdet den Höhenflieger und gibt der Basis wieder Gewicht.

Just vor Advent mehren sich sich die Zeichen des Zusammenbruchs im System der globalen Gesamttücke: In Hannover bei Ikea am Expo-Park gab es jetzt gleich nach Öffnung den Totalausfall im Sperrholz-Paradies: Angeblich war kein Strom mehr auf der Leitung, wofür den dafür möglicherweise verantwortlichen Mardern von Herzen gedankt sei. Das allerdings die Kaufwütigen dann massenhaft mit ihrem Rollschrott zur Filiale im 61 Kilometer entfernten Braunschweig ausweichen, zeigt in drastischer Deutlichkeit, wozu Junkies fähig sind, wenn die Sucht sie treibt. Vermutlich war dieser Kollaps nur der Anfang, wie auch die Autokrise anzeigt … PS.: Während ich diese Zeilen tippe, kommt auch schon die nächste Katastrophenmeldung von H&M aus der hannöverschen Ernst-August-Galerie: Durch einen Windstoß schlug die Glastür den Kopf der Sprinkleranlage los – und schon hieß es: „Wasser marsch!“ Wundert’s wen?

Nena, die Einzigartige, die Göttin der Herzen, die Gründerin der Hamburger Nena-Schule: Sie wird immer immer jünger und erhält an diesem Samstag im Zoo zu Hannover sogar den Deutschen Kinderpreis (!), nachdem sie zuvor ihre neue CD „Himmel, Sonne, Wind und Regen“ signiert hat. Das sind die Festtage von Bullerbü!

Wenn Bundespräsident Horst Köhler aber nach Bremen kommt, dann natürlich nicht zu einer Filiale der Nena-Schule, sondern zur Einweihung des Zentrums für Kinder und Jugendliche in Huchting. Hier im ideologischen Windschatten der evangelikalen Matthäusgemeinde lernt das Ghettokind beizeiten, dass der Mensch nicht vom Affen abstammt, sondern aus dem Klumpen Lehm geschaffen ward und ihm dann erst die Männin aus der Rippe beigegeben. Irgendwie soll so was gegen Drogen, Gewalt und vor allem Gangbangs in der großen Pause immunisieren, und da geben natürlich auch wir gern unser segnendes „Halleluja“ dazu.

Gerade verfolge ich nebenher im Radio eine Debatte darüber, ob man zur Rettung von Opel „Geld in die Hand nehmen“ solle. So Brechreiz erregend ich diese Formulierung finde: Für eine Konversion von Auto auf Fahrrad und Nähmaschine mit und ohne Hilfsmotor hätte ich nichts dagegen – back to the Opel-Roots!

Ansonsten sei allen BremerInnen angeraten, ihre Weihnachtsgeschenke am kommenden Freitag beim Solidaritätsbasar in der Stephanigemeinde zu beschaffen, der nun zum 43. Mal durchgeführt wird – trotz Wende, Deutschem Reich und alledem, empfiehlt mit einem kräftigen „Hasta la Victoria Siempre“ und einem pathetisch-zärtlichen „Ho-ho-ho-Tschi-Min“ ULRICH „Cuba Si“ REINEKING

ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, weiß, dass auch Ikea kein richtiges Wohnen im Falschen bedeutet.

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