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daumenkino„Die Stunde des Jägers“

In der Steinzeit

In einer Moschee werden Frauen und Mädchen von serbischen Söldnern exekutiert. Der US-Elitesoldat Aaron Hallam (Benicio Del Toro) kann eben noch rechtzeitig den Feindesgeneral massakrieren, dann trieft das Blut von seiner Klinge, und man fragt sich bestürzt, auf was für einem Trip William Friedkin war, als er „Die Stunde des Jägers“ drehte: der Kosovokrieg als Splatterorgie?

Tatsächlich dient das „Shock and Awe“-Intro als Appetizer für eine Story um unerfüllte Männerfreundschaft. Wer für das Vaterland tötet, will nach getaner Arbeit vom Vater geliebt werden. So wurde Hallam einst von seinem Survival-Trainer L. T. Bonham (Tommy Lee Jones) zum Töten ausgebildet, aber im Stich gelassen, als mit dem Ernstfall die Psychosen kamen – das Syndrom ist von Vietnamveteranen und aus „Rambo II“ bekannt. Deshalb muss Friedkin gar nicht erst zeigen, welche Widersprüche sein gestörter Heimkehrer durchlebt. Es reicht, wenn Hallam seine eigene Tochter knuddelt – und als Kontrast dazu in Camouflage durch Wälder schwirrt und Elchjäger mit dem Messer zerlegt. Die Erklärung zum Serienmord liefert derweil L. T. Bonham. Er weiß, dass Hallam wie die Maschine handelt, zu der er ihn gedrillt hat. Er weiß auch, dass Hallam mit seinen Taten Spuren legt, die nur er auffinden kann. Deshalb wird die fatale Männerliaison schnell zu einer finalen Männerfehde, für die Benicio Del Toro und Tommy Lee Jones wochenlang philippinischen Kampfsport übten: Jeder Stich sitzt, jeder Schnitt trifft einen Muskel, jedes Blut geht mal zu Ende, und vor den stahlblauen Wasserfällen von Portland stirbt es sich besonders rot.

Bei so viel Archaik fallen selbst die großzügig geschnittenen Löcher im Plot kaum ins Gewicht. Aber lustig ist es schon, wenn zuletzt Türklinken und Steine in Windeseile zu Messern geklopft werden. Nicht weil ordentliche prähistorische Menschenwesen dafür einige Tage gebraucht hätten. Sondern weil es überhaupt sichtbar macht, wohin „Die Stunde des Jägers“ mit all seinem Geraune um Fährtenbruderschaften und Survival-Paare gehört: in die Steinzeit.

HARALD FRICKE

„Die Stunde des Jägers“. Regie: William Friedkin. Mit Tommy Lee Jones u. a. USA 2003, 94 Min.

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