eu-außenpolitik: Brüssel statt Goslar
Na also, es geht doch. Wenn die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union wollen, dann können sie auch. Während sie sich beim letzten EU-Gipfel zu Kriegsbeginn noch gegenseitig anschwiegen, entdeckten sie jetzt in Athen das „Wir müssen wieder miteinander reden“-Prinzip. Chirac und Blair nahmen sich viel Zeit füreinander, und auch der bulgarische Außenminister wurde nicht vergessen. So beschreibt man normalerweise Versuche, eine angeknackste Liebesbeziehung zu retten.
Kommentarvon SABINE HERRE
Auf jeden Fall war dieser Rettungsversuch vorerst erfolgreich. Selbst der Anführer der Kriegsgegner, Jacques Chirac, war nun bereit, zurückzustecken und den USA und Großbritannien eine bedeutende Rolle bei der Stabilisierung des Irak zuzugestehen. Dass die gemeinsame Erklärung innerhalb weniger Stunden und viel früher als erwartet zustande kam, zeigt, wie dringend sie den Staatschefs war. Schröder und Aznar, Blair und Chirac ist offenkundig bewusst geworden, wie riskant ihre Politik in den letzten Monaten gewesen ist. Die Gefahr, dass die EU am Irakstreit zerbricht, war größer, als viele glaubten.
Und so ist an der Resolution vor allem die Tatsache wichtig, dass sie zustande gekommen ist, nicht der Inhalt. Schließlich ist die pauschale Forderung nach einer „zentralen Rolle“ für die UNO im Nachkriegsirak noch keine überzeugende europäische Irakpolitik. Damit die USA nicht erneut allein bestimmen, was im Irak passiert, muss diese nun möglichst schnell von den Außenministern erarbeitet werden.
Dabei sollten sie allerdings ein paar Grundsätze beachten. So lächerlich es klingen mag: Die Tradition, die wichtigen außenpolitischen Themen beiläufig beim Mittagessen zu besprechen, sollten sie schleunigst aufgegeben. Ebenso wie die liebe Gewohnheit, einerseits eine gemeinsame Außenpolitik zu fordern, andererseits aber zu betonen, dass Außenpolitik natürlich nach wie vor Sache der Nationalstaaten sei. Schließlich geht es darum, europäische Außenpolitik nicht länger auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners von 25 Staaten zu formulieren. Gibt es denn wirklich kein gemeinsames europäisches Interesse im Irak? Für Staats- und Regierungschefs sollte in Zukunft das Prinzip gelten: erst für außenpolitische Fragen eine gemeinsame Linie finden und sich dann darüber öffentlich äußern. Europas Außenpolitik muss in Brüssel und nicht in Goslar gemacht werden. Nur so kann man sich mühsame Versöhnungsgespräche wie nun in Athen ersparen.
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