: Württemberger Genossenschaftsweine für die Berlinale
Im Charlottenburger Weinhaus gibt es mehr als zwanzig verschiedene Lemberger. Den schätzt auch Berlinale-Chef Dieter Kosslick. Teil 8 der taz-Serie über Berliner Weinläden
In diesen Tagen werden nicht nur die Jurymitglieder für die nächste Berlinale ausgewählt, sondern auch die Weine. Im Angebot mit dabei: zwölf Weine der Winzergenossenschaften aus Württemberg. Denn Berlinale-Chef Dieter Kosslick hat nicht nur einen Onkel, der es am Tag schon mal auf acht Viertele Trollinger brachte, sondern schwärmt auch für den wohl besten Wein des Landes: den Lemberger. Dieser sei, so sagt er, „ein echter Wein zum Sonntagsbraten, den man aber auch ohne Probleme am Dienstag oder Donnerstag“ trinken könne.
Doch auch ansonsten sind die Württemberger Weine in der Hauptstadt gut vertreten. Was nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass die Schwaben in Berlin – wie die Stuttgarter Zeitung einmal schrieb – die „zweitgrößte ethnische Minderheit“ sind. Einmal im Jahr findet auf dem Flughafen Tempelhof eine Württemberger Weinmesse statt und seit Sommer 2002 gibt es im S-Bahn-Bogen beim Kranzlereck das „Württemberger Weinhaus“.
Wer jedoch erwartet, hier die großen Namen der süddeutschen Weinszene – Gerhard Aldinger oder Jürgen Ellwanger – anzutreffen, wird überrascht werden. Denn er findet Produkte der „Weingärtner Esslingen“ oder der „Weingärtnergenossenschaft Dürrenzimmern-Stockheim“: das Weinhaus ist eine Einrichtung der Weinwerbung und der Zentralgenossenschaft Möglingen.
Angeboten werden also nur Weine von Winzergenossenschaften und die müssen dafür eine „Standgebühr“ zahlen. Was aber nicht heißt, dass Geschäftsleiter Frank Haerdle bei der Weinauswahl nichts mitzureden hätte. „Als ich im November 2002 hier anfing, warf ich alles Liebliche, Halbtrockene raus, das kann man in Berlin einfach nicht verkaufen“, erzählt er. Stattdessen bietet der 47-jährige Haerdle, der gar nicht aus Württemberg, sondern aus dem südbadischen Lörrach stammt, vor allem kräftige, trockene Rotweine an. Allein vom Lemberger gibt es 21 verschiedene Sorten.
Gerade der Lemberger zeigt aber auch, wie viel sich bei den Winzergenossenschaften in den letzten Jahren verändert hat. „Jahrzehntelang“, so Haerdle, „hatten diese ja ein unglaublich schlechtes Image. Sie produzierten Massenware in Literflaschen mit altmodischen Etiketten.“ Nun jedoch tragen die Weine Namen wie Signum I, Fauna oder Linea Ligni. Der Müller-Thurgau heißt jetzt „Rivaner“ und aus dem Trollinger keltert die Bottwartalkellerei einen „trollesco“.
Doch hat sich mit den Namen auch die Qualität der Weine verändert? Ja, meinen nicht nur Frank Haerdle, sondern auch Weinkritiker. Der 2007er Trollinger der Remstalkellerei holte beim Deutschen Rotweinpreis in der Kategorie „Unterschätzte Klassiker“ den 2. Platz und der „Josua“, ein Spätburgunder der WG Lauffen, wird vom Weingourmet sogar als „Kultwein“ bezeichnet. Gestiegen sind so freilich auch die Preise. Einen Silvaner gibt es zwar immer noch für 3,40 Euro, ein im Barrique ausgebauter Rotwein kostet jedoch rund 15 Euro.
Neben Trollinger und Lemberger findet man bei Frank Haerdle aber auch Weine aus eher unbekannten Rebsorten. So zum Beispiel den Tauberschwarz aus Hohenlohe, ein milder, zartbitterer Wein, der von Slow Food in seine „Arche des Geschmacks“ aufgenommen wurde. Oder den Muskat-Trollinger, ein hellroter Wein mit zartem Muskataroma.
Erfolgreich sind zudem einige Neuzüchtungen. Bekanntestes Beispiel ist der Acelon, eine Kreuzung aus dem körper- und gerbstoffreichen Dornfelder und dem eher frischen, fruchtigen Lemberger. Ein Wein, der viel besser schmeckt, als sein Name verspricht. SABINE HERRE
Die Weinhandlung: Württemberger Weinhaus GmBH, Lotte-Lenya-Bogen 547, 10623 Berlin, U-Bahn-Station Zoo, www.wuerttemberger-weinhaus.de, Tel. 37 59 22 93, Öffnungszeiten: Di.–Fr. 11–19 Uhr, Sa. 11–16 Uhr
Das besondere Angebot: Die Genossenschaften keltern nicht nur Wein. So entsteht aus den Schalen des Muskatellers ein über 40-prozentiger Tresterbrand. Die Lemberger oder Acelon-Trauben werden zu Likör und Gelee verarbeitet.
Der Weintipp von Frank Haerdle: 2006 Verrenberger Lindelberg, Weinkellerei Hohenlohe, Lemberger Sekt trocken, 8,70 Euro. „Rote Sekte sind schwer herzustellen, weil die Gerbstoffe des Rotweins oft zu sehr vorschmecken. Hier haben wir einen rubinroten, feinperligen Jahrgangsekt, der eine deutliche Süße hat, die jedoch von einem kräftigen Körper gut ausbalanciert wird. Passt gut als Aperitiv zu den bevorstehenden Festen.“
Der nächste Teil der taz-Serie erscheint am 30. Dezember
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