DIE BOMBE FÖRDERTE DIE EINSICHT, DASS FRIEDEN UNVERMEIDLICH IST: Erfolg ohne Sieger
Ein indischer Politologe charakterisierte die ersten Kontakte zwischen indischen und pakistanischen Beamten diese Woche in Islamabad als „Gespräche über Vorgespräche“. Und die Tageszeitung Indian Express bemühte die langjährigen Abrüstungsverhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion, um einen vergleichbaren Zeithorizont für die Lösung des Kaschmir-Problems zu markieren. Und dies allein kann man schon als Fortschritt werten. Denn die früheren Ansätze glichen eher einem Tennis-Match, wo in einem vierstündigen Auftritt zwischen Staatschefs über Sieger und Verlierer entschieden werden sollte.
Dass es im Streit über Kaschmir keinen Sieger geben konnte, wussten natürlich auch die beiden Kontrahenten. Die periodischen Gipfeltreffen waren eher Zugeständnisse an die eigenen Bevölkerungen als ernsthafte Lösungsversuche. Indien wollte den Status quo zementieren, und das armeebeherrschte Pakistan sah in einem Ausbluten des Gegners „mit tausend kleinen Schnitten“ größere Erfolgschancen.
Doch die Strategie des Stellvertreterkriegs barg ihre Risiken, ebenso wie das Festhalten am Status quo. Dreimal kam es zum offenen Krieg. Beim vierten Mal, in den Kargil-Bergen vor fünf Jahren, waren es ausgerechnet die neu erworbenen Atomwaffen, die beide Seiten vor einer Eskalation zurückschrecken ließen. Und es war wohl auch die Bombe, die Politiker beider Länder endlich eine friedliche Regelung anstreben lässt. Die internationale Gemeinschaft, die sich an den Kleinkrieg weit hinten im Himalaja gewöhnt hatte, wachte ebenfalls auf und erinnerte die beiden Streithähne an die Risiken eines irrtümlich ausgelösten Atomschlags. Wenn es dafür noch eines Beweises bedurfte, lieferte ihn in den letzten Wochen Pakistans Atombombenbauer A. Q. Khan mit seinem Basar von Blaupausen.
Ingenieure aus Khans Atomlabors waren vor drei Jahren auch bei den Taliban in Kandahar gesichtet worden. Es war schließlich diese Verbindung zwischen Atomwaffen und Terror in einem Land mit brüchigen staatlichen Institutionen, die dafür sorgte, dass alle Beteiligten das Problem in seiner vollen Tragweite erkannten. Die Art und Weise, wie Musharraf und Vajpayee die Verhandlungen nun konzipieren, zeugt von dieser Einsicht. Es wird ein langer und mühsamer Weg von vertrauensbildenden Schritten, Kompromissen und entgegenkommenden Gesten sein. Am Ende muss schließlich eine Lösung stehen, mit der Inder und Pakistaner, aber vor allem auch Kaschmirer leben können. BERNARD IMHASLY
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